Mittelalter bis 1600
Die frühesten Kompilationen ,gelehrter Frauen' entstanden im Rahmen der Querelle des Femmes, die Ende des 14. Jahrhunderts durch Christine de Pisan und Bocaccio eröffnet wurde. Eine gute Einführung in besagte Querelle geben:
Rose Rigaud, Les ideesfeministes de Christine de Pisan, Neuchätel: Attinger Freres 1911. Lula McDowell Richardson,The Forerunners of Feminism in French Litersture of the Renaissance: From Christine of Pisa to Marie de Gournay, Baltimore: John Hopkins University Press 1929.
Joan Kelly,- "Early Feminist Theory and the ,Querelle des Femmes', 1400-1789", Signs, Autumn 1982, 4-28.
Elisabeth Gössmann (Hrsg.), Archiv für philosophie- und theoriegeschichtliche Frauenforschung, Das wohlgelaunte Frauenzimmer, Ciudicium Verlag 1984.
Insbesondere Bocaccio's De claris mulieribus durchlief zahlreiche Auflagen und Übersetzungen, erwähnenswert erscheint:
Giovanni Bocaccio, Delle Bonne illustri, tradotto da G. Betassi con una giunta fatta dal medesimo di altre donne famose, ed una nuova aggionta di F. Serdonati, Fiorenza (giunti) 1596.
Eine Ergänzung zu den in der oben genannten Sekundärliteratur angegebenen Quellentexten:
Jacobus Philippus Bergomensis (=Jacopo Filippo Foresti), De Memorabilibus et Claris Mulieribus: aliquot Diversorum Scriptorum Opera, Paris (Ex aedibus Simonis Colinaei) 1521, darin nebenn anderen Beiträgen:
"De foeminis quae doctrina excelierunt: authore Baptista Fulgoso"
...Von Naturwissenschaften im modernen Sinne läßt sich im angegebenen Zeitraum noch nicht sprechen, eher handelt es sieh um Naturkunde in noch mehr oder weniger unterscheidbaren Ausprägungen.
Ausgeklammert bleiben bei den folgenden Beispielen professionelle Medizinerinnen, insbesondere die Salernitanerinnen deren Geschichte eine liebevolle Darstellung findet in:
Melanie Lipinska, Histoire des femmes medecins, Paris 1900. Dies es femmes- et le progres des sciences -medicales, Paris: Massort 1930
Auch von modernen Abhandlungen wurde diese bisher nicht übertroffen, einzelne Aufsätze zu speziellen Fragen ausgenommen. Ein Blick in die angegebene Literatur erklärt, warum.
HROSWITHA VON CANDERSHEIM (ca. 935- nach 968)
Die Stiftsfrau, überwiegend bekannt durch literarische Werke, steht für die Bildungstradition des Quadriviums - an der übrigens damals mehr Frauen als Männer teilhatten. In dem Drama Sapientia wurden von ihr eine Reihe von Zahlenrätseln aus dem Gebiet der Vielecks- und ähnlicher Zahlen aufgegeben, welche als Beitrag zur Vermittlung der Zahlentheorie durchaus von geschichtlichem Interesse sind? . Hier sei auf die ausgiebige einschlägige literaturwissenschaftliche Sekundärliteratur verwiesen, die gegeben wird in
Anna Lyon Haight (Hrsg.), Hrosvitha of Gandersheim. Her Life Times and Works and
a Comprehensive Bibliography, New York: Hrosvitha Club 1965.
Nur ein Leckerbissen sei herausgegriffen:
A. H. Hoffmann von Fallersleben, Dissertatio de Roswithae vita et scriptis, Vratislavie 1839
HILDEGARD VON BINGEN (1098=1179)
Hildegard von. Bingen steht für eine Naturlehre mit mystischem Einschlag. Sie war eine hervorragende Kennerin der zeitgenössischen. Naturkunde. Darüber hinaus. stellte sie auch selbständige Beobachtungen über die einheimische Flora und Fauna sowie über biologische Charakteristika von Naturobjekten an. Dafür zeugt u.a. das Fehlen lateinischer Fachausdrücke von zahlreichen. Tier- und Pflanzennamen, die durch deutsche Namen ersetzt worden sind. Sie war eine bedeutende Mystikerin, hatte großen Einfluß auf das kulturelle und politische Leben ihrer. Zeit- und gründete und leitete: die Klöster Rupertsberg und Eibingen. Von ihrem Briefwechsel sind circa 500 Briefe erhalten. Die
Hildegard-Werke liegen in einer kritischen Ausgabe noch nicht vor, denn die Frage der Echtheit ist nicht in allen Fällen endgültig geklärt.
Im folgenden nur eine Auswahl aus ihrem Werk:
Physica (Liber Subtilitatum diversarum naturarum creaturarum).
Causae et curae (Liber compositae medicinae de aegritudinum causis, signis atque curis), mitsamt Ergänzung im Codex Berolin. Lat. Qu. 674.
Scivias, mitsamt Variae lectiones ad librum Sciyias Lingua ignota.
Liber divinorum operum.
Hinweise auf verschiedene Ausgaben, Sekundärliteratur etc.: Werner Lauter, Hildegard-Bibliographie. Wegweiser zur Hildegard-Literatur, Alzey 1970.
Von der nach 1970 erschienenen Literatur hier, da diese leichter zu finden ist, nur als Kostprobe genannt:
Herbert Reier (Hrsg. und Übersetzer), Hildegard von Bingen. Physika. Nach der Textausgabe von J.P: Migne, Paris 1882 ins Deutschee übersetzt, Kiel 1980.
Irmgard Müller, Die pflanzlichen Heilmittel bei Hildegard von Bingen, Salzburg 1982.
HERRAD VON LANDSBERG (ca. 1125-1195)
Die Bildungsgrundlage des Quadrivium wird von Herrad von Landsberg zu einer Allgemeinbildung erweitert, die auch Naturkunde und praktisches Wissen umschloß.
Ihr für den Unterricht der Klosterfrauen verfaßter Hortus deliciarum enthält Darstellungen von Wassermühlen, Zahnradgetrieben u.ä., die nicht ohne technikhistorisches Interesse sind. Herrad-Literatur in Auswahl:
Mortitz Engelhardt, Herrad von Landsberg, Aebtissin zu Hohenburg, oder St. Odilien im Elsaß, im zwölften Jahrhundert, und ihr Werk: Hortus deliciarum. Ein Beitrag zur Geschichte der Wissenschaften, Literatur ( ... ) des Mittelalters, Stuttgart und Tübingen: Cotta 1818.
Joseph Walter, Herrade de Landsberg. Hortus deliciarum. Recueil de 50 pl. avec texte d'introduction historique litteraire et archeologique (.. ), Strasbourg: Le Roux 1952.
Ein Kapitel für sich sind die Alchemistinnen. Es geht hier um die alchemistische Tradition vor der Neubelebung des hermetischen Schrifttums, die sich als Nachwirkung des Humanismus ausbreitete. In den alchemistischen Zirkeln war die Teilnahme von Frauen selbstverständlich, sowohl bei' der Laborarbeit als auch im Rahmen theoretischer Erwägungen. Als Beleg ein Zitat:
"Je l'ai parfaite trois fois [Anmerkung: gemeint ist die Transmutation] avec l'aide de Perenelle, qui l'entendoit aussi bien que moi, pour m'avoir aide aux Opérations et sans doute, si elle eût voulu entreprendre de la faire tonte seule, elle en seroit venue à bout."
Ein einzelnes Beispiel:
BARBARA (1372-1451)
Alchemistin, über die Johann von Laaz in der lateinischen Handschrift Via universalis, composita per famosum Jo. de Laaz, Philosophum peritum in Arte Alchymia vom Jahre 1440 berichtet. Weitere Untersuchungen sind leider nicht aufzufinden.
Alexander Bauer, "Ein Blick auf die Geschichte der Alchemie in Österreich." Vortrag gehalten 11.1.1891.
In diesem Vortrag erscheint Barbara als typisches Beispiel einer "Erstfrau", so wie inzwischen mindestens fünf verschiedene Frauen den Beinamen: "Erste Frau, die in Medizin promovierte" erhielten.
Mit der Verbreitung der Buchdruckerkunst häufen sich auch die Belege über die schriftstellerische Tätigkeit von Frauen; dennoch werden im folgenden auch Frauen ohne akademischen Anstandsausweis eigener Veröffentlichungen aufgeführt werden.
Für die Renaissance steht:
CASSANDRA FEDELE (146 5 -15 5 3)
Diese wird auch Cassandra Fidelis oder Dame Cassandra Mapelli genannt. Nachschlage werke nennen sie im allgemeinen eine "lateinische Dichterin". Der Inhalt ihrer Dichtungen war jedoch unter anderem:
De scientiarum ordine, Padua, 1484.
Die ihr gewidmeten Lebensbeschreibungen haben inzwischen meist auch ein ehrwürdiges Alter, deshalb hier nur eine Auswahl jüngeren Datums:
M. Petrettini, Vita di Cassandra Fedele, Venezia 1814.
P.L. Ferri, Bibliotheca feminile italiana, Padova 1842.
Simonsfeld, Zur Geschichte der Cassandra Fedele, o.0. 1894.
Zwar war die Medizin seit langem ein Lehrfach an den Universitäten, doch war die nicht-akademische Heil und Pflanzenkunde, die medizinische, botanische und pharmazeutische Kenntnisse erforderte, der akademischen Medizin noch lange überlegen und noch nicht gänzlich aus dem weiblichen- Tätigkeitsfeld ausgemerzt.
Von den unzähligen Frauen, die über Jahrhunderte hinweg Heilkunde betrieben und von denen viele in der Folge auf dem Scheiterhaufen endeten, sind natürlich mangels Schriftkenntnissen - nur wenige namentlich bekannt geworden. Ohne auf die Hexenproblematik einzugehen, lassen sich jedoch auch "ehrbare" Beispiele angeben:
BARBARA VON ROLL (1502-1571)
Lebte in Solothurn und heiratete 1519 Hieronymus von Luternau. Unentgeltlich und wie es heißt mit großem Erfolg behandelte sie zahlreiche Kranke.
G. Meyer von Knonau, Heldinnen des Schweizerlandes, o.O. 1833.
J. Pestalozzi, in: Neujahrsblatt der. Zürcher Hilfsgesellschaft, o.O. 1842.
HELENE RÜCKHER (1526-1598)
Tochter des Arztes Magenbuch, verheiratet mit Andreas Osiander, Professor in Königsberg, in zweiter Ehe mit Johann Rückher. Durch Verpflichtung vom 24.5.1585 als "Hofapothekerin" in Stuttgart eingestellt übte sie dieses Amt bis 1597 aus.
PHILIPPINE WELSER (1527 1580)
Geschichtskundigen ist. sie keine Unbekannte, ihre Kräuterkenntnisse finden aber in historischen Darstellungen gewöhnlich keine Erwähnung, waren aber nicht unbeträchtlich.
Karl Beer, "Philippine Weiser als Freundin der Heilkunst", in: Gesnerus, 7, 1950, 80-86.
Die alchimistische Tradition nach Wiederbelebung des hermetischen Schrifttums wurde vertreten von:
ISABELLA CORTESE (16. Jh.)
Die von ihr bekannte Schrift durchlief zahlreiche Auflagen und wurde auch übersetzt:
Secreti medicinali arti iciosi ed alchemici, Venetia 1561, 1565 und öfters; deutsche Übersetzung Hamburg 1565, 1592. Spätere Ausgaben zum Teil mit verändertem Titel, z.B.: Varieta di Secreti d'Isabella Cortesi, 1614.
Mathematische Kenntnisse werden zwar so manchen Frauen nachgerühmt, hier seien nur zwei genannt. Es handelt sich noch um die Zeit Adam Rieses, in der überhaupt erst die Voraussetzungen einer Mathematik im heutigen Sinnne begründet wurden (z.B. di Dezimalschreibweise und die Einführung der Null).
MAGDALENA ZEGER (ca. 1491-15.68)
Verheiratet mit dem Professor der Medizin Thomas Zeger (gest1544) in Kopenhagen.
Nach dem Tode ihres Mannes lebte sie in Kolding und stellte lange Zeit die Kalender für Dänemark auf, was mit der Bestimmung der Osterfeiertage u.ä. auch einige astronomische Kenntnisse erforderte.
THEODORA DANTE (16. Jh.)
Laut La Croix handelt es sich um eine "fameuse mathématicienne de Pérouse en Italie, laquelle ayant appris les mathematiques de son pese, les enseigna à un de ses neveux, qui se rendit, comme elle, très-habile dans cette science sublime.
Die folgende Einteilung in Abschnitte ist willkürlich, jedoch nicht willkürlicher als irgend eine andere, solange eine allgemein anerkannte Periodisierung der Geschichte der Frauen noch nicht vorliegt 9. Sie erscheint jedoch sinnvoller als eine Einteilung nach Fächern da sich die naturforschenden Frauen noch lange nicht an die entstehenden Aufteilungen der Naturwissenschaften in abgegrenzte Disziplinen hielten.
Die wenigen Ausnahmen gehören gewöhnlich zu denjenigen, denen es gelang, im wissenschaftlichen Bereich berufstätig zu werden.
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