GEOWISSENSCHAFTEN
Der vielfältige Bereich der Geowissenschaften kann hier nur
exemplarisch angedeutet werden, auch ist der Anteil von Frauen an
diesen Fächern bisher am meisten ignoriert worden.
Am ehesten erhielten noch reisende Frauen etwas Aufmerksamkeit.
So stellte George Sarton, der Nestor der Wissenschaftsgeschichte,
die Frage: "Was Jeanne Barré the first women who travelled around
the world?"(1), eine Frage, die wohl unbeantwortet bleiben muß.
IDA PFEIFFER (1797 - 1859)
Schon als Kind fiel sie durch ihre Abenteuerlust unliebsam auf;
ihre standesgemäße Ehe ertrug sie als unvermeidliche
Schicksalsprüfung. Im Alter von 45 Jahren, nach der Großjährigkeit ihrer
Söhne, begann sie ihre späte Laufbahn als Weltreisende und Entdeckerin.
Diese Reisen finanzierte sie mit gefällig formulierten
und gern gelesenen Reisebeschreibungen. Ohne wissenschaftliche
Vorbildung bemühte sie sich doch, ihre Reisen zu nutzen, z. B.
übereignete sie dem Wiener Naturhistorischen Museum eine von ihr
auf Madagaskar zusammengetragene Vogelsammlung. Sie erhielt
Anerkennung von Alexander von Humboldt und Karl Ritter, und wurde zum
Ehrenmitglied der geographischen Gesellschaften in Wien und Paris
ernannt.
MARTINE DE BERTEREAU BARONESSE DE BEAUSOLEIL (1590 - 1642)
Wichtigste Werke:
Diorismus verae philosophiae de materia prima lapidis. Béziers1627.
Véritable Déclaration de la Découverte des Mines et Minières et
Minires par le Moyen desquelles Sa Majesté et Sujets se peuvent
passer des Pays Etrangers. Paris 1632.
La Restitution de Pluton à Mgr. l'Eminent Cardinal de Richelieu,
des Mines et Minières de France, cachées jusqu'à present au
Ventre de la Terre, par la Moyen desquelles les Finances de la
Majesté seront beaucoup plus Grandes que celles de tous les
Princes Chrestiens et ses Sujets plus Heureux de tous les
Peuples. Paris 1640.
Sie bereiste mit ihrem Mann von 1610 bis 1626 ganz Europa und
untersuchte mineralische Lagerstätten. Beide standen in der
alchemistischen Tradition, und der Vorwurf der Hexerei wurde
besonders gegen sie gelegentlich laut. Sie starb in Gefangenschaft in
der Burg von Vincennes bei Paris.
JULIANE, HERZOGIN GIOVANE (1766 - 1805)
Wichtigste Werke:
Über den Vesuv.
Diese Abhandlung ist in ihren 'Gesammelten Schriften' Wien 1795
fortgelassen, dort sind nur ihre literarischen und erzieherischen
Schriften wiedergegeben.
Sie hatte eine für damalige Verhältnisse recht sorgfältige
Erziehung erhalten und beherrschte die lateinische Sprache, damals
eine Voraussetzung für wissenschaftliches Arbeiten überhaupt. Ihr
anscheinend nicht selten als peinlich empfundenes Interesse an
der Mineralogie entschuldigt Harleß (siehe dort), sie habe sich
damit über ihre unglückliche Ehe trösten wollen. Tatsache ist
jedoch, daß sie sich nach ihrer Scheidung in Wien niederließ und
von nun an den größten Teil der Zeit, die ihr neben ihrer Tätigkeit
als Oberhofmeisterin der Erzherzogin Marie Louise blieb, für
ihre Studien, insbesondere der Mineralogie, benutzte. Sie besaß
ein umfangreiches Mineralienkabinett und wurde von der Berliner
und der Stockholmer Akademie zum Ehrenmitglied ernannt.
DOROTHEA SCHLÖZER (1770 - 1825)
Wichtigste Werke:
Nachrichten von dem Andreasberg und von den Vergnügungen im Harz
überhaupt. In: Neues Magazin für Frauenzimmer. Straßburg 1787, Bd. 4.
Mitautorin von: "Münz-, Geld- und Bergwerksgeschichte des
Russischen Kaiserthums vom Jahre 1700 - 1789.
Sie war von frühreifer Intelligenz, mit elf Jahren sprach sie
zwei und las fünf Sprachen. Ihr Vater, Universitätsprofessor in
Göttingen, förderte sie nach Kräften, und ihre Fortschritte wurden
derart stadtbekannt, daß der Dekan zum 50jährigen
Universitätsjubiläum den Vorschlag machte, sie zum Magister und Doktor
ehrenhalber zu ernennen. Dieser Vorschlag wurde von Vater und
Tochter empört zurückgewiesen, statt dessen reichte sie den für
eine ordentliche Prüfung vorgeschriebenen "Literärischen Lebenslauf"
ein, in dem sie ihren Bildungsgang schildert. Unter
"Mineralogie" berichtet sie über ihren Aufenthalt im Harz, wo sie in
Clausthal, in St Andreasberg und am Rammelsberg in die Hauptgruben
eingefahren ist (Im Gästebuch der Zeche von Clausthal-Zellerfeld
findet sich noch ihre Eintragung vom 15. August 1786). Als
Anlagen A und B sind zwei Folioblätter beigefügt mit Handzeichnungen
des "Grund- und Profilrisses des Braune Lilier-Tagesschachts
von der Wille Gotteßer bis Rasendammer Strecke". Zur
Vorbereitung und Ergänzung ihrer praktischen Bergwerkskunde hatte
sie Unterricht in Metallgewinnung und Markscheidekunst genommen.
Endlich fand die Prüfung statt, und in dem den "Wißenschafften"
gewidmeten Teil der Prüfung wurde sie, neben Mathematik,
besonders ausgiebig über Metallgewinnung und Lagerstättenkunde
befragt. Sie bestand mit Glanz und - sah ihrer feierlichen Promotion
zum Magister und Doktor der Philosophie durch ein Fensterloch
von der Bibliothek aus zu. Hernach lernte sie noch Arabisch
und Hebräisch und gilt als Mitherausgeberin des obengenannten
Buches, für das sie auch die Rechnungen ausführte. Dann aber
heiratete sie im Alter von 22 Jahren den Lübecker Senator Rodde,
und ihre wissenschaftliche Karriere fand ein jähes Ende.
Sekundärliteratur:
Martha Küssner: Dorothea Schlözer. Ein Göttinger Gedenken.
Göttingen 1976.
MARY ANNING (1799 - 1842)
Ihr Vater, ein Kunsttischler, der auch gelegentlich Fossilienfunde
verkaufte, nahm sie schon als Kind auf seine Streifzüge mit.
Damit war ihr Interesse geweckt, und nach seinem Tode 1810 trug
sie mit ihren Funden zum spärlichen Familieneinkommen bei. 1811,
als Elfjährige, machte sie ihre erste große Entdeckung: sie fand
das erste nahezu komplett erhaltene Skelett eines Fischsauriers
(Ichthyosaurus), erfaßte die Bedeutung und heuerte kurzentschlossen
mehrere Männer an, um es sorgfältig ausgraben zu lassen. Die
Liste ihrer weiteren Entdeckungen ist zu lang, um hier wiedergegeben
zu werden. Obwohl ihr gesamtes Wissen autodidaktisch erworben
war, suchten die englischen Paläontologen ihre Bekanntschaft.
Thomas Allan schrieb 1824: "Mary Anning's knowledge of the subject
is quite surprising - she is perfectly acquainted with the
anatomy of her subjects, and her account of her disputes with
Buckland, whose anatomical science she holds in great contempt,
was quite amusing." Außer einem in Loudons 'Magazine' veröffentlichten
Brief, in dem sie über von ihr gefundene Teile eines
fossilen Haies (Hybodus) berichtet, hat sie allerdings nichts
Schriftliches hinterlassen. Nach ihrem Tode wurde ihrer ehrenvoll
in der jährlichen Sitzung der Geological Society of London gedacht,
eine Ehre, die bis dahin nur Mitgliedern dieser Gesellschaft
erwiesen worden war.
Sekundärliteratur:
W. D. Lang: Mary Anning, of Lyme, Collector and Vendor of
Fossils, 1799 - 1847, in: Natural History Magazine 5 (1935) 64-81
DORIS SCHACHNER (*1904)
Sie gehört zur ersten Akademikerinnengeneration an deutschen
Hochschulen und ist die erste Professorin für Mineralogie in
Deutsachland. Von 1923 - 1928 studierte sie Mathematik, Physik,
Chemie und Philosophie in Heidelberg und promovierte dort 1928
mit der Dissertation 'Tektonische und gefügeanalytische
Untersuchungen im Grundgebirge des Böllsteiner Odenwaldes'. 1929 ging
sie als Assistentin an die TH Aachen, Wo sie sich 1933 mit der
Arbeit 'Zur Gefügekunde der Erze' habilitierte. 1939 wurde sie
zur Privatdozentin mit Lehrauftrag über die Bildung und Bewertung
von Minerallagerstätten ernannt. 1941-1945 arbeitete sie in
Brünn. Gleich nach Kriegsende widmete sie sich dem Wiederaufbau
ihres Instituts, wurde 1949 zum ordentlichen Professor und 1958
sogar zum Direktor des Instituts ernannt. Gleichzeitig setzte sie
sich als Vorsitzende der Senatskommission für das Akademische
Auslandsamt besonders für die Belange der ausländischen Studenten
ein, und bemühte sich um die Intensivierung der Auslandsbeziehungen
der TH Aachen. Sie veröffentlichte zahlreiche Arbeiten auf
dem Gebiet der Genese von Erzlagerstätten, der Entstehung von
metamorphen Erzgefügen und des Deformationsmechanismus einzelner
Minerale. 1984 verlieh ihr die RWTH Aachen die Würde einer
Ehrensenatorin.
(1) Query no. 103, in: Isis 34 (1942), 27.
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