Do 12.11.2009 Gunzenhausen
Simon Marius am Wendepunkt der Astronomie
Gudrun Wolfschmidt (GN, Universität Hamburg)
Simon Marius - der fränkische Galilei -
und die Astronomie in Franken
Perry Lange (Archäologie, Universität Hamburg)
Portugal und die Entdeckung der Welt am Vorabend der Neuzeit
Fragestellung: Welche politisch-ökonomischen Voraussetzungen
führten zur Expansion Portugals im Atlantik und welche technologischen Entwicklungen waren dazu notwendig?
Die Anfänge der portugiesischen und damit auch der europäischen Expansion in den atlantischen Westen und Süden erscheinen uns heutigen Betrachtern in einem Zwielicht von Mythos und Realität, im dem phantastische Züge die Spuren tatsächlicher geographischer Kenntnisse verhüllen. Die seltenen Zeugnisse früher Seefahrten in das Westmeer stellen dabei nicht die Summe des tatsächlichen Wissens der damaligen Seefahrer da. Diese Zeugnisse sind nur ein Spiegelbild der Informationen, die uns die schriftkundigen Nautiker, Kartographen, Beamten und Seefahrer überlassen wollten. Die ,,mythische Geographie'' der alten Völker ist deutlich älter und von anderen Gegebenheiten beeinflusst als unsere Erdkunde. Häufig sind die Themen der Mythen und der Religion mit jenen der Geographie so sehr verschmolzen, dass eine wissenschaftliche Analyse und Interpretation für uns nicht mehr möglich ist. Dennoch waren im Mittelalter Mythos und reale Erkenntnis so eng miteinander verflochten, dass das Echo vergangener Fahrten in das Westmeer und selbst über die Vorentdeckung der beiden Amerika Tür und Tor geöffnet waren. Es bedurfte nur noch einer entschlossenen und wagemutigen Persönlichkeit die beherzt neue Ziele für Ihre Nation definierte. Das ausgerechnet eine bis dahin kleine und im internationalen Machtgefüge des ausgehenden europäischen Mittelalters unbedeutende und noch dazu sehr junge Nation sich mit großer Energie dieses Themas annehmen würde ist eine der Überraschungen der europäischen Geschichte.
Dr. Ulrich Voigt (Hamburg)
Zyklen und Perioden - Grundlagen der Komputistik
95-jährige Ostertafel in Ravenna (6. Jh.)
Photo: Karl-Heinz Lewin
Da ich gerade ein Buch dieses Titels geschrieben habe, nehme ich die Gelegenheit, seine Kernthese vorzustellen und über ihre
Begründung zu plaudern. (Hier zum Download des Buches
Zyklen und Perioden - Grundlagen der Komputistik)
These: Die tiefe Kluft zwischen frühchristlicher (spätantiker) und mittelalterlicher (zeitgenössischer) Komputistik und Chronologie, die immer empfunden wurde, beruht wesentlich auf einer unterschiedlichen Auffassung der Zyklen. Seit dem 7. Jahrhundert werden Zyklen multiplikativ aufgefasst (also 28 = 7 x 4, 532 = 19 x 28), vordem aber additiv (also 28 = 5 + 6 + 5 + 11, 532 = 95 + 95 + 95 + 247). Mein Buch beinhaltet in Teil I die vollständige Komputistik der Zyklen, in Teil II den Nachweis, dass die additive Auffassung in den Quellen deutlich ist.
Die 95-jährige Periode, die in Alexandria eine Institution bildete und mit dem frühen Mittelalter aus dem Bewusstsein verschwand, erhält damit erstmals eine plausible Erklärung. Die multiplikative Auffassung (die in der historischen Forschung bislang allein zur Geltung kam), scheitert vor diesem Objekt notwendig.
Dr. Reinhard Witzlau (Gransee)
Instrumenta Apiani - Messtechnik in vorteleskopischer Zeit
in multimedialer Darstellung
Der deutsche Gelehrte Peter Apian (1495/1501-1552) beschrieb verschiedene Instrumente, die sowohl für astronomische Messungen, als auch für Messungen im Feld- und Navigationswesen geeignet waren. Dabei kombinierte Apian seine Messinstrumente oft mit drehbaren Scheiben und erreichte dadurch eine Erhöhung der Anwendbarkeit der Instrumente und eine Vereinfachung komplizierter Berechnungsverfahren.
Das Multimediaprojekt ,,Instrumenta Apiani'' gibt einen Überblick über das Leben und das reichhaltige Schaffen Peter Apians. Mithilfe multimedialer Programme wie Mediator 8 und Cinema 4D wird versucht, seine Instrumente und Messverfahren interaktiv verständlich darzustellen. Als erste Projektergebnisse können der Aufbau und die Nutzung der Sternuhr, des Jakobsstabes und die Polfindungsmethode gezeigt werden.
Instrumente Peter Apians
Dipl.-Phys. Rahlf Hansen und Christine Rink
(GN, Universität Hamburg)
Thales Finsternis - Wissen aus dem Norden?
Sonnenfinsternis in Side über dem Apollontempel. - © Rahlf Hansen
Aufbauend auf unsere Rekonstruktion der möglichen Entwicklung der bronzezeitlichen Astronomie von der Himmelsscheibe von Nebra über den Sonnenwagen von Trundholm zu den ,,Goldhüten'', fragen wir nach der Herkunft des Wissens bei dem griechischen Philosophen Thales. Ein großer Teil des Wissens stammt sicher aus dem Osten. Aber gilt dies auch für die astronomischen Kenntnisse? Aufgrund welcher Methode hat er ,,seine'' Finsternis vorhergesagt? War es der Saroszyklus? Und woher kannte er ihn? Hier kommen eventuell Babylon oder auch der Mitteleuropäische Raum in Frage. Diese beiden Möglichkeiten sollen diskutiert werden.
In diesem Zusammenhang wird gefragt, auf welchem Wege sich Wissen aus der mitteleuropäischen Bronzezeit in der klassischen Antike nachweisen lassen könnte.
Weihnachtsferien
Mittwoch, 6. Januar 2010, 18.15 bis 20 Uhr, Hörsaal J,
Hauptgebäude, Edmund-Siemers-Allee 1 (im Rahmen der Ringvorlesung
,,(Un-)Endlichkeit in der Frühen Neuzeit''
Prof. Dr. Gudrun Wolfschmidt (GN, Universität Hamburg)
Der Weg in die Unendlichkeit - Weltbild und Vermessung des Kosmos
Prof. Dr.-Ing. Stefan Breitling
(Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Institut für
Archäologie, Denkmalkunde und Kunstgeschichte,
Bauforschung und Baugeschichte
Zirkelschlag und Schalungsbrett - Geometrischer Entwurf, handwerkliche Tradition und Bauausführung im Kathedralbau der Gotik
Ende des 12. Jahrhunderts ändern sich mit der Einrichtung von Dombauhütten die Rahmenbedingungen für den Bau der großen Kathedralen in Europa. Die so genannte gotische Bauweise, der nun entwickelt wird, ist eng mit dem neuplatonischen Gedankengut der Scholastik verknüpft. Andererseits löst sich der architektonische Entwurf, der nun wesentlich in den Händen der Bau- und Hüttenmeister liegt, zunehmend von den konzeptuellen Vorgaben der Bauherren. Es entsteht eine äußerst fruchtbare Mischung aus gelehrtem und handwerklichem Wissen, das in die Ausführung eingeht. Welche Vorgaben es gegeben haben muss, wie sie in den Entwurf eingegangen sind, was aus ihnen auf der Baustelle geworden ist und welche Abhängigkeiten von Verständnis und Gewohnheiten der Protagonisten bestanden, soll am Mauerwerk des Kreuzgangs der Kathedrale von Salisbury und am Gewölbe des Bamberger Doms dargestellt werden.
Dr. Silke Ackermann (London, British Museum)
Astronomie im Dienst der Religion - Islamische wissenschaftliche Instrumente in kulturellem Kontext
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Prof. Dr. Stefan Kirschner (GN, Universität Hamburg)
Gedanken über Bewegung, Raum, Zeit und Unendlichkeit
im Mittelalter
Das 14. Jahrhundert ist durch einen selbstbewussten Umgang mit zentralen Lehrsätzen der aristotelischen Naturphilosophie gekennzeichnet. Einige wenige Autoren lehnten sogar den aristotelischen Orts- und Zeitbegriff ab. Während für Aristoteles der physikalische Ort eines Gegenstandes die unmittelbar angrenzende Oberfläche der den Gegenstand umgebenden Körper war, verteidigten Nicolaus Oresme (ca. 1320-1382) und Gerardus Odonis (ca. 1290-1349) die aus der Spätantike bekannte Vorstellung, der Ort eines Körpers sei der Raum, den der Körper einnehme. Ähnliches gilt für den Zeitbegriff. Auch hier vertraten Oresme, Odonis und Petrus Johannis Olivi (1248-1298) einen antiaristotelischen Zeitbegriff, indem sie die Zeit als etwas von der Bewegung Unabhängiges definierten, wohingegen Aristoteles die Realität der Zeit aus der Realität der Bewegung deduziert und sie als ,,Zahl der Bewegung gemäß dem Früher und Später'' definiert hatte. Damit nahmen die mittelalterlichen Denker eine Entwicklung vorweg, die im 16. und 17. Jh. stark an Bedeutung gewann und schließlich in die Herausbildung des Orts- und Zeitbegriffs der klassischen Physik mündete.
Ein zentrales Problem der scholastischen Naturphilosophie war die Frage des ontologischen Status der Bewegung, d.h. ob Bewegung etwas eigenständig Seiendes ist, das zusätzlich zu den an der Bewegung beteiligten und bereits vor der Bewegung vorhandenen Dingen (z.B. bewegter Körper, Raum etc.) existiert. Es handelt sich hierbei um ein zeitloses philosophisches Problem, zu dem die Scholastik verschiedene alternative Lösungsmöglichkeiten herausgearbeitet hat, die auch von aktueller Relevanz sind.
Als besonders fruchtbar erwies sich für die scholastischen Denker ein gedankliches Hilfsmittel, das Aristoteles naturgemäß nicht zur Verfügung stand: die Einbeziehung eines allmächtigen Schöpfergottes als eine physikalische Größe, die alles bewirken kann, das keinen logischen Widerspruch einschließt. Dies führte in Form von Gedankenexperimenten zu einer beträchtlichen Erweiterung des intellektuellen Spielraums, wie am Beispiel der Diskussionen, ob es etwas aktual Unendliches geben könnte und ob verschiedene Unendliche einander vergleichbar sind, näher ausgeführt werden wird.
Neuere Forschungen/Kolloquium seit 1995