Wichtiger Hinweis:
Ausstellung
'Popularisierung der Naturwissenschaften'
Katalog zur Ausstellung 'Popularisierung der Naturwissenschaften', hrsg. von Gudrun Wolfschmidt, Institut für Geschichte der Naturwissenschaften, 250 Seiten, 38 Abbildungen, Preis 15.- DM, erhältlich beim Institut für Geschichte der Naturwissenschaften
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Vorträge im Rahmen des Seminars
Montags 18.00 - 19.30 Uhr,
Geomatikum (Bundesstr. 55),
Hörsaal 6 (Erdgeschoß)
Programmübersicht Kolloquium - Sommersemester 2000
Inhaltsangabe der Vorträge
Geschichte der Perspektive.
Die Perihel-Anomalie des Planeten Merkur aus wissenschaftstheoretischer Sicht.
Die Edition des wissenschaftlichen Briefwechsels von Wolfgang Pauli.
Von essentialistischer Klassifikation zur phylogenetischen Systematik der Organismen.
Vom Raumproblem zum Raumformenproblem:
Über einige Beziehungen zwischen 'nicht-euklidischer Revolution'
und den Anfängen der modernen Topologie.
Veranstaltung zusammen mit dem Mathematischen Seminar - Uni Hamburg
Technologie und Verfertigungstechniken provinzial-römischer Glashütten.
Druckluftgründungen und Unterwassertunnelbau.
Die Rolle der Archäologie in der Naturwissenschafts- und Technikgeschichte.
Karin Reich, Gudrun
Wolfschmidt
Prof. Dr. Alexander Kreuzer (Hamburg)
Prof. Dr. Ulrich Gähde (Hamburg)
Dr. Karl von Meyenn (Max-Planck-Institut für Physik
München)
Prof. Dr. Otto Kraus (Hamburg)
Dr.habil Moritz Epple (Mainz)
Dr. Fritz Seibel (Hamburg)
Dr. Karl-Peter Faesecke (Hamburg)
Dirk Siebers, M.A. (Hamburg)
Zurück zum Anfang:Inhaltsangabe der Vorträge
Geschichte der Perspektive.
Unter Perspektive versteht man die Abbildung 3-dimensionaler Objekte
auf eine Zeichenebene mit Hilfe einer Zentralprojektion. Es werden
einige einfache grundlegende Begriffe wie Hauptpunkt, Horizont,
Distanzpunkte erläutert.
An Beispielen wird gezeigt, daß aus der ägyptischen, griechischen,
römischen, byzantinischen, romanischen und gotischen Malerie keine
Bilder mit mathematisch korrekter Perspektive erhalten sind.
Die ersten Bilder mit korrekter Perspektive findet man ab 1426 in der
italienischen Frührenaissance (Masaccio, Dreifaltigkeitsfresco,
S. Maria Novella, Florenz), während die Bilder der sogenannten
nordischen Frührenaissance (Spätgotik) Darstellungen mit guter
Tiefenwirkung, aber ohne korrekte mathematische Konstruktion zeigen
(Jan van Eyck, Robert Campin, Rogier van der Weyden). Kurze Zeit
später werden die ersten Bücher mit 'Konstruktionsanleitungen'
geschrieben (1436 Alberti, 1460 Piero della Francesca, 1498 Leonardo
da Vinci, 1525 Albrecht Dürer).
Ausgehend von der Kunst entwickeln sich in den folgenden Jahrhunderten
die mathematischen Gebiete der darstellenden und projektiven
Geometrie.
Die Perihel-Anomalie des Planeten Merkur aus wissenschaftstheoretischer Sicht.
1859 entdeckte der französische Astronom Le Verrier
eine zwar geringfügige, aber folgenreiche Abweichung zwischen Theorie
und Erfahrung: Die mit Hilfe der Newtonschen Gravitationstheorie
berechnete Bahn des Planeten Merkur stimmte nicht mit den beobachteten
Planetenörtern überein. Der Vortrag zeichnet die Geschichte der
Korrekturversuche nach, die im Rahmen der klassischen Physik zur
Abwehr dieser Anomalie unternommen wurden. Diese Korrekturversuche
werden im Raster eines modernen wissenschaftstheoretischen Konzepts -
des Konzepts sog. 'Theorien-Netze' - analysiert. Dies ermöglicht
Einblicke in die Mechanismen, mit denen sich eine etablierte,
hervorragend bewährte Theorie gegen hartnäckige Konflikte mit der
Erfahrung zur Wehr setzt.
Die Edition des wissenschaftlichen Briefwechsels von Wolfgang Pauli.
Vor 75 Jahren hat der damals noch als junger Assistent in Hamburg
wirkende Wolfgang Pauli das nach ihm benannte Ausschließungsprinzip
entdeckt. Damit war nicht nur die lange gesuchte Erklärung für
den Aufbau des Periodensystems der Elemente gefunden, sondern zugleich
auch die Stabilität der gesamten uns umgebenden Materie auf ein
fundamentales Naturprinzip zurückgefürt.
Als ebenso fruchtbar erwies sich aber auch seine Anfang der 30er Jahre
- zunächst in Briefform - formulierte
Neutrinohypothese. Sie gab Anstoß zur Entwicklung einer
feldtheoretischen Beschreibung der wechselwirkenden Elementarteilchen
(wie der des radioaktiven ß-Zerfalls) und fand 1956 durch den
direkten Nachweis des postulierten Teilchens durch Cowan und Reines
ihre Bestätigung.
Pauli stand noch in der älteren Tradition des briefeschreibenden
Gelehrten. Gemäß dem Gaußschen Siegelspruch
pauca sed matura machte er nur wohl ausgereifte Ideen durch
Veröffentlichung allgemein zugänglich. Ein Großteil
seiner diesem Anspruch noch nicht genügenden Gedanken, die
z.T. auch weit über das rein Fachwissenschaftliche hinausgehen,
sind in seinem umfangreichen Briefwechsel niedergelegt.
Die Veröffentlichung dieses rund 7500 Druckseiten umfassenden
Nachlasses steht demnächst vor dem Abschluß. In dem Vortrag
soll über Inhalt und Umfang der einzelnen Korrespondenzen
berichtet und auf ihre Bedeutung für die wissenschaftshistorische
Forschung eingegangen werden.
Von essentialistischer Klassifikation zur phylogenetischen
Systematik der Organismen.
Seit der Antike und bis weit über Linnés 'Systema
naturae' hinaus sind Systeme auf dem Gebiet der Biologie
eher Einteilungsschemata gewesen. Sie werden treffender
als Klassifikationen bezeichnet und dienten primär dem
Zweck des Einordnens und der Identifikation. Es war
Darwin, der demgegenüber 1859 einen ersten Stammbaum
zeichnete, wenngleich in Gestalt eines neutralen Schemas.
Sieben Jahre danach, 1866, verhielt sich HAECKEL mit seinem
Entwurf eines 'Monophyletischen Stammbaums der Organismen'
wesentlich zupackender. Diese Vorgehensweise ist bis in unsere
Zeit auch dann noch beibehalten worden, als sie längst
überholt gewesen war: HENNIG hatte bereits 1950 die
Grundzüge einer Theorie der 'Phylogenetischen
Systematik' entwickelt, die den Anspruch erhebt, die
Stammesgeschichte müsse rückschreitend rekontruiert und
die Ergebnisse seien in einem damit nicht länger
beliebigen, sondern in einem im wörtlichen Sinne
natürlichen System abzubilden. Seit einigen Jahren hat
sich allerdings die Ansicht ausgebreitet,
Computerprogramme sowie die Verwendung molekularer
Daten bewirkten ein höheres Maß an Objektivität.
Vom Raumproblem zum Raumformenproblem: Über einige Beziehungen
zwischen 'nicht-euklidischer Revolution' und den Anfängen der modernen Topologie.
In den vielfältigen Auseinandersetzungen des späten 19.
Jahrhunderts ueber den Status und die mathematische Präzisierung des
Raumbegriffs wurde auch die Frage nach der topologischen Gestalt des
wirklichen Raums aufgeworfen. Diese Frage fand um 1890 eine engere
Fassung im Problem der sog. Clifford-Kleinschen Raumformen. In meinem
Vortrag möchte ich zum einen zeigen, wie eng die Formulierung dieses
Problems und die ersten Schritte zu seiner Bearbeitung mit den
breiteren Auseinandersetzungen um das Raumproblem verwoben waren. Zum
anderen werde ich diskutieren, was die Untersuchungen dieses Problems
zur Herausbildung der modernen Topologie beigetragen haben. Auf diese
Weise kann exemplarisch nachgewiesen werden, dass auch eine aus
späterer Sicht so 'reine' Teildisziplin der Mathematik wie die
Topologie in ihrer Entstehungszeit starke Impulse aus der breiteren
wissenschaftlichen Entwicklung erhalten hat.
Technologie und Verfertigungstechniken provinzial-römischer Glashütten.
Innerhalb der letzten 20 Jahre wurden im rheinischen Braunkohlerevier
'Hambacher Forst' nahe Jülich fünf römische
Glashütten ausgegraben. Die fünfte und letzte (Fundplatz HA
132) war die erste großflächige Ausgrabung einer
römischen Glashütte in Deutschland. Die Ausgrabung begann
1994 und dauerte bis zum Sommer 1996. Trotz schlechten
Erhaltungszustandes war es möglich, aus den Fundamentresten die
Grundformen, d.h. Rund- und Halbkreisform der Glasöfen zu
erkennen. Ein Vergleich mit den Öfen der früher ausgegrabenen
Hambacher Glashütten ergibt für alle die gleichen
Grundformen und somit eine Identität der Funktion. Gleiches gilt
für das Fundmaterial. Hafenscherben und Glasbruch aller fünf
Hütten sind identisch und austauschbar. Es wird nachgewiesen,
dass es sich bei den Hambacher Glashütten um
Weiterverarbeitungsbetriebe handelte, in denen aus angeliefertem
Rohglas naturfabenes Haushaltsglas gefertigt wurde. Nach Klärung
der Betriebsform war es möglich, die Funktion der Öfen zu
entschlüsseln. Eine Glasverarbeitungshütte verfügt
über zwei Ofenarten: Schmelzofen und Kühlofen, die zeitlich
und räumlich zusammenarbeiten. Aus der Funktionsbestimmung ergibt
sich die Rekonstruktion in Form von Skizzen und Modellen. Es werden
archäologische und historische Beweise dafür erbracht, dass
Rohglas ein wichtiges Gebrauchsgut war und dass es Werkstätten
zur Erzeugung von Rohglas und andere für die Weiterverarbeitung
gab. Rohglas wurde in Ägypten und in der Levante hergestellt und von
dort in die ganze antike Welt verschifft.
Druckluftgründungen und Unterwassertunnelbau.
Für die moderne Verkehrs- und
Versorgungsinfrastruktur ist der Bau unterirdischer Strukturen schon
längst unverzichtbar. Wenn dabei wasserführende Schichten durchquert
werden müssen, ist seit über 100 Jahren die 'Drucklufttechnik' die
Methode der Wahl. Am Beispiel der in Hamburg kürzlich vollendeten
'4. Röhre Elbtunnel' für die Autobahn A7 wird die moderne
Unterwasser-Tunnelbautechnik erläutert, wobei der Schwerpunkt auf den
gesundheitlichen Risiken der unvermeidlichen menschlichen Einsätze im
Überdruck liegt. In dem Zusammenhang wird auch der Bau des ersten
Hamburger Elbtunnel vor 90 Jahren angesprochen, der wesentliche
Impulse für die Druckluftmedizin zeitigte, die bis heute
nachwirken. Ein Ausblick auf international geplante und bereits in
Angriff genommene Projekte wird die technischen und medizinischen
Herausforderungen beleuchten, die dabei zu bewältigen sind.
Die Rolle der Archäologie in der Naturwissenschafts- und Technikgeschichte.
Der Beitrag der Chemie für die
archäologische Forschung ist in allen Bereichen groß, sei
es bei den naturwissenschaftlichen Datierungsverfahren, der Analyse
von Fundmaterialien sowie deren Konservierung. Was aber ist der
Beitrag der Archäologie zur Erforschung der Geschichte der
Chemie? Für welche Fragestellungen können Sachquellen und
der Apparat der Methoden und Techniken der archäologischen
Wissenschaften herangezogen werden? Welchen Gebrauch macht die
Geschichte der Chemie heute von den Ergebnissen der
archäologischen Forschungen?
wolfschmidt@math.uni-hamburg.de
Letzte Änderung: 25. September 2000