Montags 18.00 - 19.30 Uhr,
Geomatikum (Bundesstr. 55),
Hörsaal 6 (Erdgeschoß)
Dr. Herbert Pieper (Alexander-von-Humboldt-Forschungsstelle der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften)
Prof. Dr. Erhard Geißler (Berlin)
Literatur:
Prof. Dr. Ulrich Eckhardt (Universität Hamburg, Fachbereich Mathematik)
Dr. Cornelius Steckner (Köln)
Dr. Karen Wonders (Uppsala/Göttingen)
Dr. Rajinder Singh (AG Didaktik & Geschichte der Physik
Fakultät V - Institut für Physik (EHF), Universität Oldenburg)
StR Katrin Cura (SPGN Hamburg)
Katrin Müller (MPI für Wissenschaftsgeschichte Berlin)
Dr. Kevin Johnson (Science Museum London)
Prof. Dr. Renate Rolle (Universität Hamburg, FB Kulturgeschichte und Kulturkunde, Archäologisches Institut, Vor- und Frühgeschichte)
Zurück zum Anfang:Inhaltsangabe der Vorträge
Carl Gustav Jacob Jacobi - Zum 200. Jahrestag seiner Geburt
Am 10. Dezember 1804 wurde in Potsdam Jacob Jacobi geboren. Der ideenreiche, äußerst produktive Mathematiker, der ,,Euler des 19. Jahrhunderts'', wirkte 17 Jahre an der Albertina in Königsberg und 7 Jahre an der Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Carl Friedrich Gauß schrieb nach Jacobis Tod (18. Februar 1851), dass er Jacobis Stellung in der Wissenschaft ,,stets für eine sehr hohe gehalten'' hätte. Dieses Urteil gilt noch heute. Jacobis Ideen sind auch in der gegenwärtigen Mathematik, Physik und Astronomie noch lebendig und wirken dort weiter.
Jacobis Leben und Wirken wird im Rahmen des Vortrags in den folgenden sieben Abschnitten gewürdigt:
1 Einleitung.
2 Ein ,,radioaktives Zentrum, welches durch Verbindung von Forschung und Lehre eine Wirkung durch Kettenreaktion ausübte'' (R. Courant):
Übersicht über Leben und Wirken Jacobis.
3 Eine ,,fulminante lateinische Rede, die mit großem Pathos das Wesen der reinen Mathematik verherrlichte'': Eintritt in die Fakultät 1832.
4 ,,Die freie Leistung des Genius kann in keine Formel eines Contracts
gefaßt werden'' (Jacobi): Jacobis Berufung nach Wien.
5 ,,Netzwerk des Wissens und Diplomatie des Wohltuns'': Jacobi im Netzwerk um Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß.
6 Übersicht über das Werk Jacobis.
7 ,,Das wichtigste und fruchtbarste, was ich in reiner Mathematik erfunden habe'' (Jacobi): Jacobis Tripelprodukt-Identität.
Bioterrorismus - Realität oder Fiktion?
Die Geschichte der Biowaffen gibt eine vorläufige Antwort
Bio- und Toxinwaffen (BW, TW) gelten als Massenvernichtungsmittel,
wenngleich ihre militärische Relevanz bis in die 1970er Jahre umstritten
war. Nach Einführung von Gentechnik und anderer Biotechnologien wurde es
jedoch möglich, diese Waffen auf vielfältige Weise zu schärfen sowie ihre Massenproduktion zu ermöglichen bzw. zu optimieren. Trotzdem sind in den drei Jahrzehnten, die seit der Beherrschung der in-vitro-Rekombination von
DNA vergangen sind, nur 73 Personen durch solche Waffen getötet worden, die
Mehrzahl von ihnen nicht einmal durch bewußten Einsatz von BTW.
Das hielt und hält einflußreiche Politiker und meinungsbildende
Medienvertreter nach den Anschlägen vom 11. September nicht davon ab, vor
möglicherweise bevorstehenden bioterroristischen Anschlägen zu warnen und - nicht nur in den USA, aber da ganz besonders - Vorkehrungen zum Teil
einschneidender Art zum Schutz vor solchen Terrorakten zu treffen. Bis heute
sind solche Warnungen und damit begründete Maßnahmen aber kaum zu
rechtfertigen. Im wesentlichen beruhen sie auf ähnlichen
Fehleinschätzungen und Falschmeldungen, wie sie nach dem Ersten Weltkrieg eine - sachlich wiederum völlig unbegründete - gigantische biologische Rüstungsspirale in Gang setzten, der im Zweiten Weltkrieg aber nur -
möglicherweise -zigtausende - Chinesen und Koreaner zum Opfer fielen.
Fatale Folge der biologischen Hochrüstung, an der sich in den 1980er Jahren
auch der Irak beteiligte, war der völkerrechtswidrige Einmarsch in den Irak
im vergangenen Jahr. Begründet wurde er zunächst damit, Saddam Hussein
besitze wieder BTW und andere Massenvernichtungswaffen, bedrohe damit die
westliche Welt und stelle sie auch dem Terrornetzwerk Al Qaida zur
Verfügung. Diesem Krieg sind inzwischen mehr als eintausend Soldaten der
,,Koalition der Willigen'' und schätzungsweise 30.000 Irakis zum Opfer
gefallen - aber nicht einer von ihnen wurde Opfer von BW oder TW.
Ich halte die Angst vor Bio- und Toxinwaffen für - zumindest aus heutiger
Sicht und mit Blick auf die Geschichte dieser Kampfmittel - für weitgehend
unbegründet. Ernst zu nehmen sind dagegen die Gefahren der - auch schon seit
sechs Jahrzehnten gelegentlich praktizierten - psychologischen biologischen
Kriegsführung und des Psycho-Bioterrors. Denen kann man jedoch nicht durch
Verschärfung von Einreisebestimmungen und Bevorratung von Pockenimpfstoff
begegnen, sondern unter anderem durch Versachlichung der relevanten Debatte,
Schaffung von Transparenz auf allen Gebieten von ,,B-Schutz''-Aktivitäten und
Verbesserung der internationalen Kooperation bei der Abwehr biologischer
Gefahren unabhängig von deren Ursprung.
Geißler, E.: Biologische Waffen - nicht in Hitlers Arsenalen. Biologische
und Toxin-Kampfmittel in Deutschland von 1915 - 1945. LIT Verlag Münster,
1999, 2. erweiterte Auflage.
Geißler, E.: Anthrax und das Versagen der Geheimdienste. Kai Homilius
Verlag, Berlin 2003.
Die Keplersche Gleichung
Im Jahre 1543 erschien Kopernikus' Buch 'De revolutionibus orbium
coelestium'. Dieses Buch wird allgemein als ein bedeutender Wendepunkt
in der Geschichte der menschlichen Erkenntnis und ein wichtiges
Datum für das menschliche Selbstverständnis angesehen.
Demgemäß haben sich zahlreiche Autoren, Historiker, Philosophen,
Ideologen, Schriftsteller, Journalisten und natürlich auch
Naturwissenschaftler mit diesem Buch und seinen Wirkungen beschäftigt.
Man kann ohne Übertreibung sagen, daß ein großer Teil
dieser Autoren ein nur mangelhaftes Verständnis der
astronomischen und mathematischen Grundlagen besaß. Ziel dieser Arbeit
ist es, einige gängige Behauptungen aus der Literatur aufzugreifen
und im Sinne einer ,,experimentellen Geschichtswissenschaft''
diese Behauptungen anhand von einfachen geometrischen sberlegungen
oder aber durch einfache numerische Rechnungen zu überprüfen.
Dabei werden sich sehr überraschende Resultate ergeben.
Bauhaus und Hamburgische Universität
,,Keine Gestalt ohne Gestalter'' lautete in der Formulierung von William Stern (1871-1938) der personalistische Grundsatz, der seit April 1919 das Weimarer Bauhaus (Gropius, Grunow) und die Philosophischen und Psychologischen Seminare der Hamburgischen Universität (Stern, Cassirer, Werner) leitete und schließlich auch mit dem hinzutretenden ,,Institut für Umweltforschung'' (von Uexküll) verband. Die zeichenhafte Funktionsrelation von Wahrnehmen und Handeln als eine personale Leistung ermöglichte einerseits ein umweltbezogenes sensomotrisches Training, das auf Entdeckungen von Gertrud Grunow (1870-1943) beruhte, die wiederum, worauf Heinz Werner (1890-1964) 1926 in seiner ,,Einführung in die Entwicklungspsychologie'' hinwies, im Hamburger Psychologischen Laboratorium weitergeführt wurden. Darunter waren Filmaufnahmen, die zeigten, wie sich bei Kindern nicht nur der Gesichtsausdruck, sondern die ganze Körperhaltung verändert, wenn sie sich auf bestimmte primäre Farblichtempfindungen zu konzentrieren vermochten. Insgesamt wird für den Zeitraum 1919 bis 1933 ein Ineinandergreifen von Institutionsbildung, biologisch-psychologischer Theoriebildung und experimenteller bzw. pädagogischer Methode sichtbar, das in seinen Ergebnissen mit jüngsten neuropsychologischen Forschungen vergleichbar ist.
Hunting narratives of the colonial age:
a gender reading of their iconography
The hunting-and-collecting mania of sportsmen from Northwestern
Europe and the Eastern United States is explored by focusing on the
many hunting narratives that recount trips to the Canadian part of the
Rocky Mountains and the Pacific Shore during the Age of Empire
(1875-1914). These narratives, many of which were lavishly illustrated,
have remained largely unexplored as a source for the social history of
hunting. Here the hundreds of frequently dramatic visual
representations, in particular the trophy displays, are systematically
scrutinized and major iconographic motifs identified.
The point is made that the iconograpic idiom did not primarily convey a
meaning that related to the hunters' participation in the work of empire,
but one that celebrated the hunters' character traits and masculinity,
often by means of a conflation of ``victor-and-vanquished''.
How to win the Nobel Prize - The example of C.V. Raman
The Nobel Prize is one of the best known honours to the scientists as well as general public. In 2000 the 100th anniversary of the Nobel Prizes (with exception of the Economics Nobel Prize) was celebrated. Even after such a long time the Nobel Prizes have not lost their charm. Every year the mass media announce the names of Nobel Laureates and publish their interviews. However, little is known about: How the Nobel Committee finds the right candidate? How the candidates are elected? Who nominate them and who has the right to nominate?
In this communication I give a short review on the nomination and election
processes. However, my main aim is to discuss: Why the Indian physicist C.V. Raman (1888-1970), the discoverer of the ``Raman effect'' won the Nobel Prize in 1930, while the Russian physicists GS Landsberg (1890-1957) and LI Mandelstam (1879-1944) who discovered the same effect nearly at the same time ``lost the game''.
,,Stinklangweilige Arbeit und depperte Leimsieder'' -
Die Leimherstellung vom 16. bis 19. Jahrhundert
Es wird über mannigfache naturwissenschaftliche Aktivitäten in der Freien Reichsstadt Augsburg berichtet: von den Anfängen um 1500 in den Klöstern über Höhepunkte wie dem Aufenthalt Tycho Brahes 1569/70, der Tätigkeit des Mathematikers und Arztes Georg Henisch (gest. 1618) und des Mäzens Markus Welser (gest. 1614), dem Bau einer Sternwarte 1613 auf der Stadtbibliothek bis hin zu astronomischen und meteorologischen Beobachtungen im 18. Jahrhundert. Tycho Brahes Gastgeber gehörte einem Alchemisten-Kreis an, der sich bis ins 17. Jahrhundert verfolgen läßt, in dem vor allem Paracelsische Ideen gepflegt wurden.
rzte und Laien betätigten sich auf botanischem Gebiet, später auch mit
dem Mikroskop. Mit der Pharmacopoeia entstand 1564 eine der ersten Sammlungen
von zugelassenen Arzneimitteln in Deutschland, die ständig weiterentwickelt
wurde. Eine wichtige Rolle spielten die Uhr- und Kompaßmacher, Optiker und
Mechaniker. Schissler, Wiesel und Brander sind ihre herausragenden Vertreter.
Zu allen Zeiten wurden naturwissenschaftliche Bücher und Schriften sowie
Stadtpläne und Landkarten gedruckt.
Formen des Anfangs. Das Sphärendiagramm zu Beginn von Robert Grossetestes 'De sphaera' (1215-1230)
Zu den frühen Schriften des umfassend interessierten englischen Theologen Robert Grosseteste (um 1168-1253) gehört der kurze Traktat 'De sphaera', das sich mit der Gestalt des Kosmos und den Bewegungen der Himmelskörper beschäftigt. Bei der Analyse dieses Traktats stand bisher vor allem die Frage nach dem Wissensstand des Autors im Vordergrund. Grosseteste erwies sich als kritischer Kenner wichtiger Teile des neuen kosmologischen und astronomischen Wissens, welches das lateinische Europa in Form von bersetzungen aus dem Arabischen und Griechischen erst seit dem Beginn des 12. Jahrhunderts erreicht hatte.
Das Interesse für die Quellen Grossetestes ließ ein zentrales Anliegen, das dieser in 'De sphaera' verfolgt, unbeachtet. Im Text fordert der Autor seinen Rezipienten immer wieder zur Visualisierung des erklärten Gegenstands auf. Wie jedoch, in welcher Form sollte das Wissen sichtbar werden? Ein Blick in frühe Kopien des Traktats zeigt, dass die Aufforderung zur Visualisierung nicht immer die Ausstattung des Texts mit Diagrammen zur Folge hatte. In allen Handschriften jedoch findet sich ein Sphärendiagramm ganz zu Beginn des Traktats.
In meinem Vortrag werde ich mich vor allem diesem Diagramm widmen. Immer ist es ein Element des ersten Folios und allein diese Stellung am Anfang des Textes lässt ihm eine gesonderte Bedeutung zukommen. Es soll anhand von ausgewählten Beispielen gezeigt werden, welche ästhetischen Lösungen für das Diagramm gefunden wurden und wie dieses im Zusammenspiel mit dem Textschmuck und der Schrift Bedeutung generiert.
Educational instruments in astronomy
One of the oldest sciences, astronomy, is by its very nature an abstract subject. It has a long tradition of using educational models and instruments to explain theories and ideas. There are surviving examples from the Ancient World that show the use of such devices from an early date. In this discourse, I will outline the range, role and history of these valuable tools in the teaching of astronomy. To this purpose, I will use the extensive astronomy collections of the Science Museum, London, to illustrate this account. This will focus upon the evolution and use of the celestial globe, the armillary sphere and planetary models (orreries). In addition, the development of specialised instruments and models will be explored along with the rise of science lecturing and the teaching of astronomy. To illustrate these topics, my talk will also make use of other collections at the Science Museum, such as the apparatus and scientific instruments owned by the Hanoverian monarch, King George III.
Salpetersieder und skythische Fürstengräber
Das skythenzeitliche Burgwallsystem von Bel'sk in der östlichen Ukraine stellt mit reichlich 4.000 Hektar Innenfläche und 34 km Wallanlagen eine der markantesten früheisenzeitlichen protourbanen Strukturen dar. Möglicherweise handelt es dabei um den archäologischen Niederschlag der in Herodots IV. Buch beschriebenen Stadt Gelonos, die weit im Landesinneren Skythiens gelegen und von einer multikulturellen Bevölkerung mit griechisch-skythischer Sprache besiedelt war. Noch innerhalb der Grenzen des skythischen Herrschaftsbereichs begründet, entstand dieses Burgwallsystem bereits im 7. vorchristlichen Jahrhundert und entwickelte sich zum politischen, handwerklichen und kultischen Zentrum. Die Fülle des griechischen Imports ist besonders beeindruckend. Die modernen Ausgrabungen versuchen Binnenstruktur, wirtschaftliche Grundlagen und gesellschaftliche Organisationsform präziser zu fassen. Mit dem erstmaligen Einsatz geophysikalischer Methoden seit zwei Jahren konnte das deutsch-ukrainische Team einen wichtigen wissenschaftlichen Durchbruch erzielen. Zu den noch offenen Geheimnissen von Bel'sk gehört die große Nekropole, die sich an der Westflanke der Anlage hinzieht und heute weitgehend zerstört ist. Obwohl in der Neuzeit noch mehrere Tausend Grabhügel (Krugane) beobachtet werden konnten, fehlen in ihr die für die skythische Zeit so kennzeichnenden ,,Fürstengrabhügel''. Ihr Fehlen hatte nicht zuletzt zu sehr unterschiedlichen Hypothesen hinsichtlich der Gesellschaftsstruktur geführt, von der diese bedeutende Anlage einst getragen wurde. Neue Forschungsergebnisse scheinen hier zu
überraschenden Lösungen zu führen, wobei ein vergessener Wirtschaftszweig gerade in der Ukraine Beweise für grandiose Umweltzerstörungen liefert. Kurgane als militärische Ressource zur Schwarzpulverherstellung durch Saliterer sind im Rahmen der Archäologie ein außergewöhnliches Novum.
Wolfschmidt
Letzte Änderung: 20. Dezember 2004