Vorträge im Rahmen des Seminars
Montags 18.00 - 19.30 Uhr,
Elvira Pfitzner (Chemnitz)
Prof. Dr. Christian Hünemörder (Hamburg, Universität, IGN)
Dr. Ing. Armin Wirsching (Hamburg, Universität)
Dmitri Abramov (Moskau/Hamburg, Universität, IGN)
Dr. Andreas Kühne (München, Ludwig-Maximilians-Universität, IGN)
Dr. Gabriele Dürbeck (Rostock, Universität,
Institut für Germanistik)
Prof. Dr. Joachim Braun (Hamburg, Universität der Bundeswehr)
Prof. Dr. Matthias Schramm (Tübingen, Universität)
Dr. Cornelia Denz (Darmstadt, Technische Universität, Physik)
Dr. Cornelia Lüdecke (München, Ludwig-Maximilians-Universität, IGN)
Prof. Dr. Hans Niels Jahnke (Essen, Universität, FB
Mathematik und Informatik)
Heike Weber (Berlin, Technische Universität, Technikgeschichte)
Dr. Luitgard Marschall (München, Technische
Universität, Technikgeschichte)
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Programmübersicht Kolloquium
Wintersemester 2000/01
Neuere Forschungen zur Geschichte der
Naturwissenschaften, Mathematik und Technik
Geomatikum (Bundesstr. 55),
Hörsaal 6 (Erdgeschoß)
Gesamt-Programm zum Ausdrucken
Inhaltsangabe der Vorträge
Immer wieder sind es die Kometen.
Ausdruck
Die Naturenzyklopädie des Thomas von Cantimpré, ihre Textstufen, Verbreitung und ihr Einfluß auf das mittelalterliche Geistesleben.
Obelisken im Nil transportieren - die Entdeckung des altägyptischen Doppelschiffs.
Edition der um 1240/50 entstandenen naturkundlichen Enzyklopädie des Ps.-John Folsham.
Die deutschen Perspektivtheoretiker des 16. Jahrhunderts.
Die Anfänge der populärwissenschaftlichen Ethnologie und die Darstellung der Südseekulturen in der Zeitschrift 'Der Globus' (1862ff.).
Luftfahrt als Thema der Musik (mit Tonbeispielen).
in Zusammenarbeit mit dem 'Naturwissenschaftlichen Verein Hamburg'
Der Antikythera-Mechanismus und spätere Analoga.
Von der Antike bis zur Neuzeit - der verleugnete Anteil der Frauen an der Physik.
'Auf zum Südpol' - 175. Geburtstag von Georg von Neumayer und 100 Jahre deutsche Südpolarforschung.
Vor dem Vortrag um 15.30 Uhr steht im Raum Geom 233 Kaffee und Tee bereit.
Vortrag in Zusammenarbeit mit dem Mathematischen Seminar
Zugänge zur Reihenkonvergenz in der algebraischen Analysis des 18. Jahrhunderts.
Zwischen Popularisierung und Propaganda: Populäre Technikliteratur in der NS-Zeit.
Zwischen Nischenexistenz und Zukunftstechnologie: Industrielle Biotechnik in Deutschland (1900-1970).
Gudrun Wolfschmidt,
Karin Reich,
Günther Oestmann,
Christian Hünemörder
Tagungen, Ausstellungen, u.s.w.
Inhaltsangabe der Vorträge
Immer wieder sind es die Kometen.
Die Erscheinung eines Kometen kann nicht nur die
unterschiedlichsten Aktivitäten auslösen, sie kann sogar das
Leben eines Menschen in völlig andere Bahnen lenken.
An einigen Beispielen aus der Geschichte der Kometenforschung, die
ihrerseits förderlich auf andere Naturwissenschaften wirkten,
wird die obige Aussage zuerst erläutert.
Die eigene Amateurtätigkeit wurde auch durch einen Kometen
ausgelöst und erhielt jeweils einen Schub, wenn es galt eine
Beobachtungsreihe auszuwerten, oder selber zunächst weniger
bekannten historischen Persönlichkeiten nachzuspüren. Dabei
zeigte sich, daß die Kometen das Leben der hier untersuchten
Geistlichen Georg Samuel Dörffel (1643-1688)und des Lehrers
Friedrich Scheithauer (1771-1846) wesentlich veränderten. Die
Beschäftigung mit der Naturwissenschaft, auch wenn sie nicht
beruflich vorgegeben wurde, kann tiefgründig sein, weil die
selbst gewählten Themen keinen zeitlichen oder örtlichen
Rahmen setzen. Es erscheint deshalb aber wesentlich, die selbst
gestellte Aufgabe auch zu Ende zu führen, denn nur dann wird sie
sehr viel Freude bereiten.
Die Naturenzyklopädie des Thomas von Cantimpré, ihre
Textstufen, Verbreitung und ihr Einfluß auf das mittelalterliche
Geistesleben.
Der belgische Dominikaner Thomas von Cantimpr‚ (ca. 1201 - ca. 1270)
vollendete um 1241 nach 14-15jähriger Sammeltätigkeit anonym
seine lateinische naturkundliche Enzyklopädie in zunächst 19 (=
Thomas I), dann 20 Büchern (= Thomas II). Basierend auf einigen
im Prolog genannten Quellenautoren aus der Antike und dem Mittelalter,
hat er darin alle ihm erreichbaren Nachrichten über den
Mikrokosmus Mensch, die Pflanzen, Tiere und Mineralien der Erde und
den Makrokosmos des Universums zusammengestellt und teilweise
moralisiert. Von Thomas II existieren eine Reihe von z.T. wunderbar
illuminierten Handschriften vom späten 13. bis 15. Jh. Obwohl vor
allem diese zweite Originalversion (Edition von Helmut Boese 1973) in
vielen Handschriften verbreitet war, lief ihr eine nur wenige Jahre
später im süddeutschen oder österreichischen Raum
entstandene Bearbeitung (Thomas III) mit über 100 erhaltenen
Manuskripten den Rang ab, nicht zuletzt durch die Übersetzung
(1348/50) des Konrad von Megenberg ins Deutsche. Es wird über den
in der Rohfassung abgeschlossenen Kommentar im Hinblick auf die von
dem künftigen Texteditor erforschte interessante Textgeschichte
(mit mehreren Bearbeitungsstufen), die Verbreitung der Handschriften
sowie über die zusätzlich benutzten Quellen (bes. Ps.-John
Folsham) informiert werden. Der bisher kaum untersuchte Einfluß
auf das mittelalterliche Geistesleben wird den Abschluß bilden.
Obelisken im Nil transportieren - die Entdeckung des altägyptischen Doppelschiffs.
Die größte Herausforderung, vor die Schiffbauer und
Ingenieure im alten Ägypten gestellt wurden, war der Transport von
Obelisken von den Steinbrüchen im Süden des Landes zu den
heiligen Stätten im Norden. Ein Bild im Totentempel der
Königin Hatschepsut zeigt die Ankunft von zwei etwa 300 Tonnen
schweren Obelisken auf einem Schiff in Karnak. Gab es das gigantisch
große Schiff wirklich? Neue Erkenntnisse zeigen, daß die
Obelisken zwischen Schiffen im Wasser hängend transportiert
wurden. Im Vortrag werden die für den Transport schwerster
Steinlasten verwendeten Schiffe nach überlieferten Zeugnissen der
Zeit schrittweise rekonstruiert. Der Künstler, der das
Säulen tragen Schiff des Königs Unas darstellte, hat die
Doppelschiff-Technologie perfekt perfekt dokumentiert. Auf dieser
Grundlage muß das Obelisken-Schiff der Hatschepsut anders
interpretiert werden, als es zu sehen ist.
Edition der um 1240/50 entstandenen naturkundlichen Enzyklopädie des Ps.-John Folsham.
Liber de naturis rerum von Ps.-John Folsham mit dem Incipit
Triplex est esse ist eine der naturkundlichen Enzyklopädien, die ab
des ersten Drittels des 13. Jh. in Westeuropa erschienen sind und
einen neuen Meilestein in der Wissenschaftsgeschichte markieren.
Sie steht in einer Reihe mit Liber de naturis rerum von Thomas von
Cantimpr‚, Liber de proprietatibus rerum von Bartholomäus
Anglicus, Speculum naturale von Vinzent von Beauvais. Diese
neuen Enzyklopädien unterscheiden sich von der plinianischen
Tradition, zu der auch Isidor, Rabanus Maurus, Honorius,
Alexander Neckam, Jakob von Vitry gehören, dadurch, dass sie
sowohl strukturell, als auch inhaltlich sehr unter dem Einfluss von
Aristoteles und arabischen Gelehrten stehen, deren neue
Übersetzungen ins Lateinische in den 12.-13. Jh. erschienen
sind.
Diese Enzyklopädie wurde anonym überliefert und war wohl von
einem englischen Dominikaner geschrieben worden. Ihre
Verfassungszeit kann man anhand der zitierten Quellen und
Überlieferung in die Spanne von 1230-1240 setzen. Dass sie dem
englischen Karmeliter John Folsham (ca. 1300-1348) aus Norwich
zugeschrieben wurde, geht wohl auf John Bale (1495-1563) zurück,
der als erster das Buch zusammen mit diesem Namen erwähnte.
Die inhaltliche Anordnung des Materials von Mechanik und
Astronomie über die vier Elemente, die Pflanzen- und Tierwelt zum
Menschen entspricht der Anordnung der aristotelischen
naturwissenschaftlichen Schriften und wurde so von den Arabern
übernommen. Die ursprüngliche Bestimmung des Buches als
Predigthilfe für Geistliche wird durch zahlreiche moralistische
Bemerkungen geprägt.
Die deutschen Perspektivtheoretiker des 16. Jahrhunderts.
Zum Prozeß der Formulierung und Verbreitung der Theorien der
Linearperspektive in Italien ist seit dem Ende des 19. Jhs. eine
mittlerweile nur noch schwer überschaubare Sekundärliteratur
entstanden. Durch kunst-, kultur- und wissenschaftsgeshichtliche
Forschungen sind sowohl die schriftlichen Zeugnisse der italienischen
Perspektivtheoretiker als auch exemplarische perspektivische Bilder
und Zeichnungen umfassend bearbeitet worden. Die deutschen
Perspektivtheoretiker hingegen haben - mit Ausnahme von Albrecht
Dürer - nicht annähernd soviel Beachtung gefunden wie ihre
italienischen Kollegen. Häufig wurden sie ohne genauere Analyse
zu Unrecht als weitschweifig und unoriginell abgetan. Der Vortrag, der
auf einer umfangreichen Untersuchung basiert, macht es sich zur
Aufgabe die wissenschaftshistorischen, geistesgeschichtlichen und
wirtschaftlichen Voraussetzungen darzustellen, die die Entstehung
einer relativ eigenständigen deutschen Perspektivliteratur
befördert haben. Weiterhin werden anhand von Beispielen
biographische Voraussetzungen - insbesondere der Bildungswege - der
Autoren untersucht, soweit sie für die Beschäftigung mit der
Perspektive relevant waren. Am Beispiel von Johann II. von
Pfalz-Simmern, Augustin Hirschvogel und Paul Pfinzing von Henfenfeld
folgt eine vergleichende Betrachtung der Inhalte einzelner
Perspektivtraktate Am Ende des 16. Jahrhunderts verliert sich das
theoretische Interesse der Künstler und Kunsthandwerker an der
Beschäftigung mit der Perspektive wieder. Paul Pfinzing von
Henfenfeld steht mit seinem ''Extract der Geometriae vnnd
Perspectiuae'' (1599) schon am Ausgang einer Epoche. Perspektivstudien
wurden als Bestandteil der Optik und der darstellenden Geometrie zu
Beginn des 17. Jahrhunderts wieder in den akademischen Bildungskanon
eingebettet. Kunsthandwerker vom Typus eines Wenzel Jamnitzer, Lorenz
Stoer und Johannes Lencker traten dabei nicht mehr in
Erscheinung. Girard Desargue und René Descartes wurden zu den
Wegbereitern einer formalisierten, in sich kohärenten
mathematischen Theorie der Perspektive.
Die Anfänge der populärwissenschaftlichen Ethnologie und die Darstellung der Südseekulturen in der Zeitschrift ''Der Globus'' (1862ff.)
Der 'Globus - Illustrierte Zeitschrift für Länder- und
Völkerkunde' hat einen erklärten
populärwissenschaftlichen Anspruch, mit dem Forschungen aus der
Geographie und Ethnologie für ein breites, nicht nur gebildetes
Publikum in anschaulicher Weise dargestellt werden soll. Neben
Artikeln zu den Grundlagen der Ethnologie und Anthropologie erscheinen
in unregelmäßigen Abständen zusammenfassende
längere Artikel zu einzelnen Ländern oder Inselgruppen. Die
Südseekulturen sind ab 1869 kontinuierlich repräsentiert,
indem Artikel in mehreren Folgen - etwa über die Neukaledonier
(1869), Tahiti (1873), den Markesas-Archipel (1875), die
Samoa-Inseln(1880) oder die Salomonen (1881) - erscheinen; meist sind
auch aufschlußreiche Illustrationen beigegeben. Die Autoren
dieser Artikel sind Missionare, Ethnographen und
Forschungsreisende. Der 'Globus' wird neben der Zeitschrift 'Ausland'
(1828ff.) zum wichtigsten publizistischen Organ, das Informationen
über fremde Völker in fundierter, aber
allgemeinverständlicher Weise vermittelt. Im Vortrag soll
besonderes Augenmerk auf die Vermittlungsstrategien zur
Popularisierung von Wissen gelegt werden.
Luftfahrt als Thema der Musik (mit Tonbeispielen).
Seit der Wende zum 20. Jahrhundert spielte die Technik als Thema
der Musik eine immer größere Rolle; insbesondere
Verkehrsmittel wie Eisenbahnen, Automobile, und Flugzeuge fanden
steigende Beachtung. Obwohl der durch die Musik vermittelte Eindruck
zwischen Technikoptimismus und Technikpessimismus schwankte,
überwogen positive Einschätzungen der Technik. Im
Vordergrund werden Stücke der ''E-Musik'' stehen, etwa die
''Airplane Sonata'' (G. Antheil); ''Lindberghflug''
(K. Weill/P. Hindemith); ''Mermoz Suite'' (A. Honegger)! ''Thunderbolt
P-47'' (B. Martinu) und das ''Helikopter Quartett''
(K.H. Stockhausen). Die Stücke werden auszugsweise zu Gehör
gebracht und analysiert, wobei ich versuchen werde, die Frage zu
beantworten, welche Funktion sie hatten, ob sich diese Funktion im
Zeitverlauf änderte, wie sie rezipiert wurden und warum
technikoptimistische Aussagen überwogen.
Der Antikythera-Mechanismus und spätere Analoga.
....
Von der Antike bis zur Neuzeit - der verleugnete Anteil der Frauen an der Physik.
Unser Wissen der Physik ist das Ergebnis eines langsamen, zähen
Prozesses des Spekulierens, Experimentierens und Entdeckens über
Jahrhunderte hinweg - ein Prozeß, der so alt ist wie die Menschheit
selbst. Frauen haben darin stets eine wesentliche Rolle gespielt.
Dennoch erinnern wir uns meist nur an die ganz wenigen Männer, die unser
Weltbild drastisch veränderten: Aristoteles, Kopernikus, Newton,
Einstein, Bohr, Heisenberg, Dirac, Fermi.
Die Geschichte der Physik ist jedoch weit mehr, sie ist die Geschichte
einer Vielzahl von Menschen, die entscheidende Entwicklungen
ermöglichten, neue Weltbilder diskutierten, verwarfen oder
weiterführten und dadurch die Entwicklung des Wissensstandes
voranbrachten. Viele davon waren Frauen, doch ihre Geschichte ist bis
heute praktisch unbekannt - auch wenn viele ihrer Leistungen genauso
bewegend oder bahnbrechend waren wie die ihrer männlichen
Kollegen.
Dieser Beitrag beschreibt beispielhaft Portraits von solchen Frauen, die
die Entwicklung der Physik entscheidend mitbestimmten. Es sind Auszüge
quer durch die Jahrhunderte aus der am Fachbereich Physik der
Technischen Universität Darmstadt entstandenen Ausstellung
''Von der Antike bis zur Neuzeit - der verleugnete Anteil der Frauen
an der Physik''. Unsere Ausstellung möchte diese Beiträge von Frauen
an der Entwicklung der Physik sichtbar machen, um für
heutige Physikerinnen Vorbilder greifbar und interessant zu machen.
'Auf zum Südpol' - 175. Geburtstag von Georg von Neumayer und 100 Jahre deutsche Südpolarforschung.
Georg Balthasar von Neumayer wurde am 21.6.1826 in Kirchheimbolanden
geboren. 1857 gründete er mit finanzieller Unterstützung des
bayerischen König Maximilians II. in Melbourne das
Flagstaffobservatorium für meteorologische und magnetische
Messungen. Wieder nach Deutschland zurückgekehrt beteiligte sich
Neumayer 1865 mit einem Vortrag an der ersten deutschen
Geographentagung in Frankfurt, in dem er die Förderung des Seeverkehr
und der Antarktisforschung propagierte. Diese Ziele verfolgte er die
weiteren Jahrzehnte. 1872 wurde er zum ''Hydrographen in der
Admiralität ernannt, in dessen Eigenschaft er die wissenschaftliche
Weltreise der ''Gazelle'' (1874-76) ausrichtete. Auch gründete er die
''Annalen der Hydroggraphie und maritimen Meteorologie''. 1874
veröffentlichte er die ''Anleitungen zu wissenschaftlichen
Beobachtungen auf Reisen''. 1875 wurde schließlich sein Plan einer
Deutschen Seewarte in Hamburg verwirklicht. Ein Jahr später ernannte
man ihn zum ersten Direktor. Erst 1903 schied er nach 27 Jahren aus
dem Dienst im Alter von 77 Jahren aus. Große Verdienste erlangte
Neumayer durch die Organisation des Internationalen Polarjahres
1882-83. Jahrzehnte lang bemühte er sich um die Aussendung einer
deutschen Antarktisexpedition, die schließlich 1901-03 unter der
Leitung von Erich von Drygalski (1865-1949) verwirklicht werden
konnte. Sein ganzes Leben widmete sich Neumayer der Wissenschaft, der
Verwaltung und auch der Politik. Am 24.5.1909 starb er in Neustadt
a.d. Hardt.
Zugänge zur Reihenkonvergenz in der algebraischen Analysis des 18. Jahrhunderts.
In seinen analytischen Arbeiten hat L. Euler (1707-1783) scheinbar
absurde Gleichungen wie
-1 = 1+2+4+8+...,
die aus der geometrischen Reihe für x=2 resultiert, häufig
ausdrücklich notiert und sich für spätere Überlegungen
vorbehalten. Offenbar schienen ihm divergente Reihen so wertvoll zu
sein, daß man sie nicht vorschnell aufgeben sollte. Der Vortrag
diskutiert seine Konzeption zu dieser Frage und ihre Rezeption durch
Mathematiker des beginnenden 19. Jahrhunderts.
Zwischen Popularisierung und Propaganda: Populäre Technikliteratur in der NS-Zeit.
Vielen Autoren populärer Technikdarstellungen dienten nach
1933 die Autarkiebestrebungen des NS-Regimes als Aufhänger
für ihre Bücher; dies gilt insbesondere für die
sogenannten ''Rohstoffbücher'', welche romanhaft die Geschichte
eines Stoffes von seiner ersten Verwendung durch die Menschheit bis
hin zur aktuellen Nutzung schilderten. šber die Wirkungsmacht des
technisch-ökonomischen Sachbuches zur Stützung der eigenen
wirtschaftspolitischen Absichten war sich auch das Regime schnell im
klaren und schaffte entsprechende Kontrollinstitutionen zur Lenkung
dieses Literaturbereiches. Es kam hier einerseits zu einer
propagandistischen Vereinnahmung der populären Technikliteratur,
andererseits nutzten einige Autoren den vom Regime gesteckten Rahmen
für die eigene Karriere. Der Vortrag erörtert dieses
Spannungsfeld; im Vordergrund steht dabei das Wirken von Anton Zischka
(1904-1997), einem der meistverlegten Sachbuchautoren des
20. Jahrhunderts.
Zwischen Nischenexistenz und Zukunftstechnologie: Industrielle Biotechnik in Deutschland (1900-1970).
Obgleich zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Zukunftstechnik
gepriesen, blieb der Einsatz der Biotechnologie in Deutschland noch
bis in die frühen 1970er Jahre auf wenige Nischen
beschränkt. Biologische Produktionsverfahren standen hier mehr
und länger als in anderen hochindustrialisierten Ländern im
Schatten der chemischen Synthese. Im Vortrag wird dieser
Entwicklungsrückstand als Folge einer jahrzehntelangen
Pfadabhängigkeit interpretiert. So entschied sich die deutsche
chemische Industrie schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts für den
Pfad der chemischen Synthese. Diese frühe Pfadwahl wurde stets
als Erklärung für den weltweiten Erfolg der Branche
herangezogen; ihre negativen Auswirkungen wurden dagegen nicht
thematisiert. Im wesentlichen betrafen sie die Biotechnologie, deren
eigene Entfaltung in Deutschland durch die Fixierung auf die
Synthesechemie gehemmt wurde. Der Vortrag zeichnet den historischen
Entwicklungsverlauf dieser Pfadbildung nach.
wolfschmidt@math.uni-hamburg.de
Letzte Änderung: 14. Dezember 2000