Universität Hamburg Fachbereich 11 - Mathematik

Schwerpunkt für Geschichte der Naturwissenschaften, Mathematik und Technik

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Kolloquium zur Geschichte der
Naturwissenschaften, Mathematik und Technik

Montags 18.00 - 19.30 Uhr,
Geomatikum (Bundesstr. 55),
Hörsaal 6 (Erdgeschoß)

Gesamt-Programm zum Ausdrucken

Inhaltsangabe der Vorträge

04.04.2005

11.04.2005

18.04.2005

25.04.2005 - wird ersetzt durch Dienstag, 31. Mai 2005, 18 Uhr s.t., Geom H4

02.05.2005 - wird ersetzt durch Dienstag, 7. Juni 2005, 18.00 h, Treffpunkt Zoologisches Museum

09.05.2005


Pfingsten

23.05.2005

30.05.2005

Dienstag, 31. Mai 2005, 18 Uhr s.t., Geom H4 - Vortrag in Zusammenarbeit mit dem Mathematischen Kolloquium

06.06.2005

Dienstag, 7. Juni 2005, 18.00 h, ,,Treffpunkt Zoologisches Museum'' - Großer Hörsaal Zoologie

13.06.2005 - entfällt!

20.06.2005

27.06.2005

04.07.2005

11.07.2005

Sommersemester 2005 (oder später)

Gudrun Wolfschmidt, Stefan Kirschner


Vgl. die Vorträge im Kolloquium über Reine Mathematik (im Mathematischen Seminar)
Vgl. die Vorträge im Mathematischen Kolloquium
Vgl. weitere Vorträge im Fachbereich Mathematik
Vgl. die Vorträge im Astronomischen Kolloquium der Hamburger Sternwarte
Vgl. die Vorträge im Vorträge bei DESY und die Vorträge in der Physik (Jungiusstr.)
Vorträge in der Hamburger Sternwarte (Förderverein)
Vorträge in der Mathematischen Gesellschaft Hamburg
Vgl. die Vorträge im Philosophischen Kolloquium
Vgl. die Vorträge im Zoologischen Kolloquium

Siehe auch die folgenden Veranstaltungshinweise:

Tagungen, Ausstellungen, u.s.w.

Frühere Kolloquiumsvorträge


Inhaltsangabe der Vorträge

PD Dr. Cornelia Lüdecke (LMU München, Universität Hamburg, SPGN)
Planung und Improvisation - Deutsche Polarstationen gestern und heute

Erst geeignete Unterkünfte und Observatorien ermöglichen es, in unwirtlichen Polarregionen zu leben und wissenschaftliche Forschung zu betreiben. Eine der ersten Missionen der Herrnhuter Brüdergemeine galt Westgrönland, wo sie 1733 in Neu-Herrnhut bei Nuuk (damals Godthaab) eine Station einrichteten. Die dafür benötigten Gebäude wurden in der Heimat vorgefertigt. Dieses System wurde bei den nachfolgenden wissenschaftlichen šberwinterungsstationen beibehalten. Jedoch mußte immer genügend oder das richtige Material für Improvisationen im Bau vorhanden sein, um individuellen Gegebenheiten und Bedürfnissen nachgehen zu können.
Kurzfristig boten Zelte die erste Unterkunft, bis die Wohnhäuser bezugsfertig waren. Es folgten die wissenschaftlichen Einrichtungen wie sogenannte Variationshäuser und Absoluthäuser zur Unterbringung der magnetischen Meßinstrumente. Je nach Aufgaben, wie z.B. Beobachtung des Venustransits vor der Sonne, benötigte man auch astronomische Observatorien. Sogar Gemüsegärten wurden manchmal eingerichtet. Später kamen noch kleine Hallen zum Füllen von Ballonen, die meteorologische Meßgeräte zur Untersuchung der höheren Luftschichten trugen, hinzu.
Wenn gar keine Häuser errichtet werden konnten, boten Expeditionsschiffe Schutz während der šberwinterung. Die wissenschaftlichen Einrichtungen während der ersten beiden deutschen Antarktisexpeditionen (1901-1903, 1911-1912) und vor allem die mangels Baumaterial in die grönländische Schneedecke gegrabene Station Eismitte der Alfred Wegener-Expedition (1930-1931) stellen ein Meisterwerk der Improvisation mittels vorhandener Materialien dar.
Bei der Betrachtung der Stationen des 1. Internationalen Polarjahres (1882-83) in der Arktis (Cumberland Sund, Baffin Island) und der Subantarktis (Südgeorgien), des Deutschen Geophysikalischen Observatoriums (1911-1914) und der Marinewetterstationen auf Spitzbergen (1940-1945) kristallisiert sich allmählich ein Vorgehensweise heraus, das sich standartisierter Bauelemente, d.h. einer Art Containerbauweise bedient, die je nach Anforderungen die Errichtung verschieden großer Stationen ermöglicht. Diese Bauweise hat sich vom Prinzip her bei der Einrichtung heutiger deutscher Überwinterungsstationen in der Antarktis durchgesetzt.
Aktuelle Bilder zeigen den heutigen Zustand einiger historischer Stationen, anhand derer die Möglichkeit eines polaren Denkmalsschutzes diskutiert wird. Dieses Forschungsprojekt wird von der Fritz Thyssen-Stiftung gefördert.

Dr.phil. Regine Zott (Berlin)
,,dass meine Person ... als Katalysator wirksam war'' - Wilhelm Ostwald als Problemsensor und Impulsgeber

Nach Ostwalds eigener Definition ruft ein Katalysator in chemischen Prozessen einen Vorgang nicht hervor, sondern beschleunigt ihn, ohne selbst im Endprodukt zu erscheinen (für seine Arbeiten zur Katalyse sowie über chemische Gleichgewichte und Reaktionsgeschwindigkeiten erhielt er bekanntlich 1909 den Nobelpreis). Jedoch auch sich selbst bezeichnete er als Katalysator und war sich der Metapher bewusst: Er setzte Projekte in Gang, motivierte, präzisierte, beschleunigte deren Durchführung. Allerdings kann eine Persönlichkeit zwar etwas bewegen, voranbringen, aber als soziales Wesen nicht unbeteiligt bleiben, denn menschliches Wirken beinhaltet Veränderung von etwas, jedoch stets zugleich Selbstveränderung. Der Beitrag stellt vor, wie Ostwald in der Chronologie seines Wirkens auf verschiedenen Betätigungsfeldern Impulse setzte, verallgemeinerte sowie systembildend theoretisierte, und wie dies umgekehrt auch sein eigenes Denken und Handeln veränderte. Seit etwa 1900 baute Ostwald mehr oder weniger zielstrebig eine sozioenergetisch-kulturphilosophische Konzeption aus. Er reflektierte den Wissenschaftsbetrieb sowie dessen Rationalisierung, ebenso das Bildungswesen und die Verbreitung eines entmystifizierten wissenschaftlichen Weltbildes. Sein Ziel wurde letztlich ein wissenschaftlich basiertes Organisationssystem für rationellen Umgang mit dem Kräftepotential der Gesellschaft. Seine methodologische Schrittabfolge ging vom unmittelbaren Agieren zum Systematisieren, zum Organisieren, zur Theorie.
Der Vortrag beschäftigt sich nicht mit seinem Wirken als Physikochemiker.

Dipl.-Biol. Igor Abdrakhmanov (Universität Hamburg, SPGN)
Die Anfänge der Molekularbiologie in der Sowjetunion -
Das Institut für Biophysik der Akademie der Wissenschaften der UdSSR in den Jahren 1953 bis 1965

Lysenko und der Kampf gegen den ,,Lyssenkoismus'' in der Sowjetunion gehören zu den berühmtesten Sujets in der Geschichte der modernen Biologie und dienten immer wieder als Beispiel für Betrug in der Wissenschaft und als Menetekel für die Gefahren der Verbindung von Wissenschaft und Ideologie.
Obwohl von 1953 bis 1965 in der Sowjetunion auf vielen bedeutenden Gebieten der Biologie Forschung offiziell nicht erlaubt war, erlebten diese Bereiche dennoch eine rasche Entwicklung. Die Gründe hierfür sind relativ gut bekannt:
  1. Die Unterstützung der Biologen durch die Kernphysiker
  2. Der starke Bedarf an radiobiologischen Forschungsergebnissen
  3. Die Konkurrenz mit den USA in der Biowaffenforschung.
Alle diese Gründe sind eng mit dem Kalten Krieg verbunden. Die Quellen zur biologischen Forschung auf militärischem Gebiet sind bis heute für Historiker kaum zugänglich. Dagegen ist das Institut für Biophysik, das 1952 in Moskau gegründet wurde, eine für die historische Forschung zugängliche Einrichtung, die zudem eine führende Rolle in der Entstehung der Molekularbiologie spielte. Trotzdem blieb die Geschichte der Forschungsaktivitäten an diesem Institut bisher unbearbeitet. Eine entsprechende Untersuchung könnte nicht nur neue Aspekte der Geschichte der Biologie eröffnen, sondern auch die gesellschaftliche und kulturelle Situation in der Sowjetunion in den 1950er und 1960er Jahren bis hin zu den Auswirkungen auf die postsowjetische Gegenwart näher beleuchten.

Marco Böhlandt, M.A. (LMU München, Lehrstuhl für Geschichte der Naturwissenschaften im Historischen Seminar)
'Figurae paradigmaticae': Bildwelten und Weltbilder in Nicolaus Cusanus philosophischer Programmschrift 'Über die Mutmaßungen

Eine große rezeptionsgeschichtliche Last liegt auf dem deutschen Kardinal, Kirchenrechtler, Philosophen und Theologen Nicolaus Cusanus (1401-1464): Die unmittelbare Nachwelt straft ihn mal mit härtester Kritik, mal erklärt sie ihn, im Angesicht seines unermüdlichen Bemühens um die Sache der Mathematik und seines Ringens um die Frage nach dem Wesen des Unendlichen, gleichsam zu einem 'zweiten Pythagoras'. Für die folgenden Jahrhunderte Gegenstand einer regelrechten 'damnatio memoriae', hat ihn die hermeneutische Wissenschafts- und Philosophiegeschichte dann seit Ernst Cassirer systematisch zum Bindeglied der Epochen stilisiert und ihm die späte (und fragwürdige) Anerkennung als ein Vordenker der philosophischen Aufklärung und der mit ihr einhergehenden Konsolidierung der exakten Wissenschaften zukommen lassen. 'De coniecturis', über 'Mutmaßungen' schreibt Cusanus in seiner zweiten großen philosophisch-theologischen Abhandlung der 1440er Jahre. Sie zeigt einen Denker zwischen Erkenntniszweifel und Erkenntniszuversicht, der sich weder in einem philosophie- noch einem wissenschaftsgeschichtlichen Systemdenken voll erfassen lässt. Nirgendwo in seinem umfassenden Werk sind Tradition und Innovation in so ausgewogenem Maße symbolsprachlich vereint worden, wie hier. Dabei spielen mathematik- und naturwissenschaftshistorische Aspekte eine übergeordnete Rolle: Das Wesen der Zahl, die harmonische Ordnung des Kosmos, die Synthese von Optik und Lichtmetaphysik und das Verhältnis zwischen Gott, Mensch und Welt mit der darin kontingent angelegten Bedeutung des Unendlichen hat Cusanus dem Leser mit den Mitteln der Bildsprache auszubreiten versucht - und uns damit über 550 Jahre später wahre 'Bildrätsel' hinterlassen.


Pfingsten

Dr. Tobias Jung (Universität Augsburg, Lehrstuhl für Philosophie mit Schwerpunkt Analytische Philosophie / Wissenschaftstheorie)
Albert Einstein - Revolutionär oder Bewahrer des Alten?

Gemeinhin gilt Albert Einstein (1879-1955) als Revolutionär, der mit seinen Beiträgen zur theoretischen Physik das physikalische Weltbild völlig umstürzte. Mit der Speziellen Relativitätstheorie von 1905 veränderte er die bis dahin für gültig erachteten Konzepte von Raum und Zeit auf radikale Weise. Er brachte mit seiner Lichtquantenhypothese von 1905 die Quantenmechanik mit auf den Weg und führte 1916 den Begriff des Zufalls in die physikalische Beschreibung der Wirklichkeit ein. Diese neue Theorie zeigte, dass auf kleinen Skalen die klassische Physik ihre Gültigkeit verliert: Größen wie Ort und Impuls lassen sich prinzipiell nicht mehr beliebig genau gleichzeitig bestimmen, Photonen oder Elektronen verhalten sich je nach Experiment wie Wellen oder Teilchen, die Physik lässt keine determinierte Naturbeschreibung mehr zu, sondern muss sich mit Wahrscheinlichkeitsaussagen begnügen. Auf Basis der Allgemeinen Relativitätstheorie initiierte Einstein 1917 die relativistische Kosmologie, das heißt die Untersuchung der Entwicklung der kosmischen Materieverteilung auf großen raumzeitlichen Skalen, aus der schließlich das Modell eines expandierenden Universums, das mit einem Urknall begonnen haben musste, hervorging. In meinem Vortrag möchte ich zeigen, dass Einstein die Veränderungen für das Weltbild, die sich hieraus ergaben, nicht immer mit zu tragen bereit war. Die Aussage ,,Gott würfelt nicht'' bezüglich der Quantenmechanik ist ja bekannt ...

Dr. Daniela Wuensch (Göttingen, Institut für Wissenschaftsgeschichte, Universität Hamburg, SPGN)
Neues zur Entdeckung der Gravitationsgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie durch Albert Einstein und David Hilbert

Die einzige überlieferte Quelle von Hilberts erster Mitteilung ,,Die Grundlagen der Physik'' vom 20. November 1915 ist eine Fahnenkorrektur, die die Druckerei Hilbert am 6. Dezember schickte. Diese Quelle ist erst vor wenigen Jahren entdeckt worden. Auf diesem Quellenfund basiert im wesentlichen die aufsehenerregende Arbeit von Corry, Renn und Stachel von 1997 in der Zeitschrift Science. Bis dahin war vielfach Hilbert als derjenige angesehen worden, der die endgültigen Gravitationsgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie als erster gefunden hatte, da Einstein seine betreffende Arbeit erst fünf Tage später, am 25. November, eingereicht hatte. Diese Fahnenkorrekturen der Hilbertschen Arbeit vom 20. November enthalten diese Gleichungen zwar in impliziter, aber gerade nicht in expliziter Form. So konnten Corry, Renn und Stachel die bisherige Sicht umkehren und behaupten, dass Einstein die endgültigen Gleichungen in expliziter Form als erster gefunden hatte und Hilbert sie von ihm übernommen haben muss, nachdem er die Arbeit von Einstein, die schon am 2. Dezember publiziert worden war, erhalten hatte.
Corry, Renn und Stachel erwähnten aber nicht, dass aus diesen Fahnenkorrekturen eine Textpassage ausgeschnitten war. Die Bedeutung dieses Ausschnitts wurde erst später erkannt. Denn aller Wahrscheinlichkeit nach standen gerade auf dem jetzt ausgeschnittenen Stück die Gravitationsgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie in expliziter Form.
Der Vortrag befasst sich eingehend mit diesem Ausschnitt aus Hilberts Fahnenkorrekturen seiner erster Mitteilung ,,Die Grundlagen der Physik'' vom 20. November 1915. Die Untersuchung der physischen Beschaffenheit dieser Fahnenkorrekturen zeigt, dass der Ausschnitt in den Druckfahnen nicht historischen Ursprungs ist, sondern in neuerer Zeit mit der Absicht gemacht worden sein muss, die historische Wahrheit zu verfälschen.
Mehrere Argumente werden dafür gegeben, dass Hilbert bereits in den Fahnenkorrekturen seiner ersten Mitteilung die endgültigen Gravitationsgleichungen in expliziter Form entwickelt hatte und sie auf dem Ausschnitt standen.
Im Anschluss daran wird eine wissenschaftshistorische Interpretation gegeben, die zeigt, dass zwar Hilbert als derjenige gelten muss, der als erster die Gravitationsgleichungen aufgestellt hat, dass aber dennoch Einsteins Leistung die Allgemeine Relativitätstheorie ist, während Hilbert eine vereinheitlichte Theorie der Gravitation und des Elektromagnetismus entwickelt hat.
Teil dieser wissenschaftshistorischen Analyse ist ein Vergleich von Newtons unvollständig aufgestelltem zweitem Axiom der Dynamik in den Principia mathematica und Einsteins Gravitationsgleichungen in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie.

PD Dr.habil. Rüdiger Thiele (Universität Leipzig, Karl-Sudhoff-Institut für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften der Medizinischen Fakultät)
,,Es war eine meiner schönsten Stunden'' - Van der Waerden in Hamburg

Der Niederländer Bartel Leendert van der Waerden (1903-1996) war einer der großen und universellen Mathematiker des vorigen Jahrhunderts. Nach seiner Habilitation war van der Waerden vom Wintersemester 1926 bis zum Sommersemester 1927 in Hamburg gewesen, u.a. als Assistent von Emil Artin. Auch später ist van der Waerden noch in Hamburg gewesen.
Der Vortrag berichtet über van der Waerdens Hamburger Zeit und über jene mathematischen Probleme, mit denen er sich vornehmlich in Hamburg befaßt hat. Das sind vor allem zwei Dinge, nämlich das Problem von Baudet und die Konzeption der modernen Algebra, mit deren Entstehung sein Name sehr eng verbunden ist.

Dr. Hans-Helmut Poppendieck (Universität Hamburg, FB Biologie)
Ein Garten für den gebildeten Kaufmann - Der Botanische Garten Hamburg und seine Geschichte

Botanische Gärten entstanden im 16. Jahrhundert und besitzen unter den gelehrten Institutionen eine ungewöhnlich lange Tradition. Sie verbinden Gartenkultur und Wissenschaft und dienen der Belehrung ebenso wie dem Genuss. Der Botanische Garten Hamburg wurde 1821 gegründet und zählt damit zu den ältesten wissenschaftlichen Anstalten Hamburgs, unter denen er stets eine Sonderstellung eingenommen hat. Seine Geschichte wurde geprägt von der Entwicklung der wissenschaftlichen Botanik innerhalb und außerhalb der Universität, aber auch von den politischen Vorgaben der Stadtentwicklung. Dies soll in diesem Vortrag anhand von sechs Kurzporträts der Gartenleiter und der mit ihnen assoziierten Pflanzen im Spiegel der Zeiten dargestellt werden, wobei ein Schwerpunkt auf der Konzeption des Neuen Botanischen Gartens, die vor allem auf Johannes Apel zurückgeht, liegen wird.


Prof. Dr. Stefan Kirschner (Universität Hamburg, SPGN)
Geschichte des Naturhistorischen Museums in Hamburg

Die Wurzeln des Naturhistorischen Museums in Hamburg reichen bis in das 16. und 17. Jahrhundert zurück, als überall in Europa von Fürsten und Privatpersonen Kunst- und Naturalienkabinette eingerichtet wurden. Die wechselvolle Geschichte der Hamburger städtischen Naturaliensammlung erlebte 1843 einen ersten Höhepunkt, als auf Initiative des Naturwissenschaftlichen Vereins das Naturhistorische Museum gegründet wurde. Begünstigt von den welt- und handelspolitischen Entwicklungen stieg trotz einiger interner Krisen das Naturhistorische Museum rasch zu einer Institution von Weltrang auf und erlebte im Wilhelminischen Kaiserreich seine größte Blüte. Auch in der schwierigen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg hatte sich an der wissenschaftlichen Exzellenz des seit Gründung der Universität 1919 nunmehr Zoologischen Museums nichts geändert, doch zeigt gerade die weitere Entwicklung im 20. Jahrhundert, wie sehr eine solche Institution auch von wissenschaftsexternen Faktoren abhängig ist.

Das Naturhistorische Museum als ,,Kathedrale des Wissens'': Walskelette in der Halle des ehemaligen Museumsgebäudes am Steintorwall

StR Katrin Cura (Universität Hamburg, SPGN)
,,Stinklangweilige Arbeit und depperte Leimsieder'' - Die Leimherstellung vom 16. bis 19. Jahrhundert

Eines der wichtigsten Klebstoffe war der Hautleim, der alle gängigen Materialien wie Holz, Bein und Papier miteinander verband. Im Vortrag soll der Frage nachgegangen werden, wer den Leim herstellte. In den Städten des Mittelalters und der Neuzeit regelten die zünftigen Organisationen das Handwerk. Deshalb führten bis ins 18. Jahrhundert hinein nur Handwerker wie Pergamenter und Weißgerber die Leimsiederei im Nebenerwerb durch und verkauften ihr Produkt vor der Haustür. Somit konnten sich keine hauptberuflichen Klebstoffhersteller herausbilden. Diese entstanden erst in der folgenden Zeit, als sich Zentren der Leimherstellung herausbildeten, die ihre Produkte überregional verkauften. Im Ausland entstanden die ersten Manufakturen mit eigenen ,,Leimsiedern'', die stundenlang die stinkende Leimbrühe über dem Feuer umrührten. Oftmals hatten sich die Hersteller auf eine Sorte spezialisiert, so dass die Länderbezeichnung zu einem Qualitätsmerkmal wurde. Es gab es den hellen ,,Holländischen Leim'' und den starken und dunklen ,,Englischen Leim''. Dagegen stellten ihn in den deutschen Landen noch Handwerker, wie verarmte Weißgerber, in ihrem Ein-Mann-Betrieb her. Im 19. Jahrhundert setzten sich zunehmen die industrielle Leimherstellung durch und die ersten Maschinen übernahmen diese Arbeit.

PD Dr.phil. Jürgen Kiefer (Universität Jena, Medizin)
Mensch und Natur im Mittelpunkt der außeruniversitären Forschung am Ende des 18. Jahrhunderts
am Beispiel der kurfürstlich mainzischen Universitätsstadt Erfurt dargestellt

Erfurt, als die älteste deutsche Hochschulstadt, hat nicht nur politische und wirtschaftliche sondern auch wissenschaftliche Glanzzeiten aufzuweisen. So galt die Stadt mit ihren Generalstudien des 13./14. Jahrhundert und mit ihrer 1392 gegründeten Universität im 14./15. Jahrhundert als führend in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Studien jener Jahre. Aber auch in späteren Zeiten erlebte Erfurt nennenswerte Höhepunkte, wie etwa im 16. Jahrhundert mit dem Rechenmeister Adam Ries und im 18. Jahrhundert, in der Erfurt neben Göttingen eine der beiden deutschen Universitätsstädte war, in deren Mauern sich auch eine Akademie der Wissenschaften gründete. Eine Untersuchung der These, daß das 18. Jahrhundert das Jahrhundert der Akademien gewesen und dort der Mittelpunkt zeitgemäßen Forschens zu suchen ist, bietet sich somit an. Trotz vorhandener Universität wird die Mehrzahl der Forschungsleistungen innerhalb der Akademien erbracht. Gleichzeitig gilt es aber neben der Universität und der Akademie weitere wissenschaftliche Institutionen, wie Lehrinstitute, Gesellschaften, Bibliotheken und Sammlungen, zu betrachten, die das wissenschaftliche Bild der seit fast 800 Jahren zum kurmainzischen Staat gehörenden Handels- und Hochschulstadt am Ende des 18. Jahrhundert prägten. Die Aufklärung hinterfragte das Verhältnis zwischen Natur und Mensch und den zu erzielenden Nutzen für die Gemeinschaft und den Staat. Somit bestimmte die utilitaristische Forschung mit ihrer Suche nach Lösungswegen für die aktuellen Probleme die wissenschaftliche Landschaft jener Zeit. Im Vortrag werden die Gründe, Antriebe, Inhalte und Ziele dieser außeruniversitären Forschung untersucht.

Dirk Siebers, M.A. (Universität Hamburg, FB Kulturgeschichte und Kulturkunde)
Der ,,Große Hamburger Brand von 1842'' und seine Auswirkungen aus technikgeschichtlicher Sicht

Der ,,Große Hamburger Brand vom 5. bis 8. Mai 1842'' zerstörte nahezu das gesamte alte Stadtzentrum einschließlich Hamburgs Rathaus, der alten Börse, die Hamburger Bank, den Hafenkran, zwei Synagogen, sowie die großen Kirchen St. Gertrud, St. Nicolai und St. Petri.
Trotz der gut organisierten Hamburger Feuerwehr, den "Wittkitteln", denen sogar Schutenspritzen (auf Booten montierte Kolbenpumpen) zur Verfügung standen, fraß sich das Feuer in dem 80 Stunden dauernden Brand durch 70 Straßen, vernichtete oder beschädigte mehr als 1.800 Gebäude, darunter zahlreiche Speicher und auch große Hofstellen. 4000 Haushalte waren betroffen, 20.000 Menschen verloren Obdach und Besitz. 51 Menschen kamen ums Leben und 130 Personen wurden verletzt.
Am 7. Mai 1842 hätte eigentlich die festliche Eröffnung der Eisenbahnstrecke zwischen Hamburg und Bergedorf stattfinden sollen, stattdessen diente die Bahn nun der Versorgung und dem Transport der vom Feuer betroffenen Menschen.
Kurz nach dem Brand, Mitte Mai 1842, machte Hermann Biow vom Dach der neuen Börse die ersten Fotos von Hamburg überhaupt (46 Aufnahmen von denen heute noch drei erhalten sind). Diese Aufnahmen sind wahrscheinlich die ersten Reportagefotos der Welt (und wurden lange Zeit dem bekannteren hamburger Fotographen Carl Ferdinand Stelzner zugeschrieben).
Der Wiederaufbau der Stadt bot die Möglichkeit, neben feuersicheren Gebäuden, auch eine moderne Infrastruktur zur Verbesserung der Hygiene einzurichten. Diese Bemühungen sind untrennbar mit dem englischen Ingenieur, Städteplaner und Sozialreformer William Lindley verbunden.

Dr. Jürgen Ellermeyer (Museum der Arbeit Hamburg)
In Hamburg begann Europas großindustrielle Kunststofffabrikation - Die Geschichte der New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie AG (NYH)

Das Jahr 1839 hat es in sich für Technik, Alltag und Kunst: Daguerre stellt sein Fotografie-Verfahren vor und Charles Goodyear entdeckt die Vulkanisation. Gut ein Jahrzehnt darauf erzeugt Nelson Goodyear nach dem bekannten Weichgummi nun den heute fast vergessenen Hartgummi - den ersten großindustriell verwendeten Kunststoff. Ein Sohn des legendären ,,Stockmeyer'', des vom Handwerk zum ,,ersten Industriellen Hamburgs'' Emporgearbeiteten, erwirbt die Rechte für Europa. Damit beginnt eine Erfolgsgeschichte an drei Plätzen dieser Stadt. Ihr ist heute in der gerade mal mittelständischen Nischenproduktion am Harburger Binnenhafen noch nachzuspüren - und im Museum der Arbeit, das die ehemaligen Barmbeker Gebäude der NYH nutzt. Auf dem Großen Grasbrook hatte es begonnen - und dort am Lohseplatz sind kürzlich zwei, seit 1930 anders genutzte, Fabrikgebäude der ,,Kautschukwerke Dr. Heinrich Traun und Söhne'' unter Denkmalschutz gestellt worden, eine symbolische Insel der Industrie in der wachsenden HafenCity.
Der Vortrag bietet - mit Blick auf das bevorstehende, hoffentlich noch irgendwie ,,Jubeljahr'' für die Harburger Gummi-Kamm-Compagnie (später NYH) und die Harburger Gummi-Schuh Fabrik (später Phoenix), beide 1856 gegründet - Aspekte der Firmen-, Technik- und Sozialgeschichte rund um einen biogenen Kunststoff. Dies ist auch eine Vorbereitung für die Sonderausstellung des Museums der Arbeit 2006: ,,Schwefel, Dampf und Kautschuk. Fabriken und Hamburger Stadtentwicklung''.

Letzte Änderung: 2. Juni 2005

Gudrun Wolfschmidt
Institut für Geschichte der Naturwissenschaften, Mathematik und Technik