Universität Hamburg Fachbereich 11 - Mathematik

Schwerpunkt für Geschichte der Naturwissenschaften, Mathematik und Technik


Programmübersicht Kolloquium
Sommersemester 2004 datebook.gif

Vorträge im Rahmen des Seminars

Neuere Forschungen zur Geschichte der
Naturwissenschaften, Mathematik und Technik

Montags 18.00 - 19.30 Uhr,
Geomatikum (Bundesstr. 55),
Hörsaal 6 (Erdgeschoß)


Gesamt-Programm zum Ausdrucken

Inhaltsangabe der Vorträge

05.04.2004


Ostern

19.04.2004

26.04.2004

03.05.2004

10.05.2004

17.05.2004 - wird ersetzt durch Freitag 18.06.2004

24.05.2004


Pfingsten

07.06.2004

14.06.2004

Freitag 18.06.2004, 17 Uhr c.t. Geomatikum Hörsaal 6, Vortrag in Zusammenarbeit mit der Mathematischen Gesellschaft Hamburg

21.06.2004

28.06.2004 (Paris-Exkursion) - wird ersetzt durch Dienstag 29.06.2004

Dienstag 29.06.2004, 18 Uhr - Hörsaal H4
Vortrag im Mathematischen Kolloquium in Zusammenarbeit mit dem SPGN

05.07.2004

Sommersemester 2004 (oder später)

Gudrun Wolfschmidt, Stefan Kirschner


Vgl. die Vorträge im Kolloquium über Reine Mathematik (im Mathematischen Seminar)
Vgl. die Vorträge im Mathematischen Kolloquium
Vgl. weitere Vorträge im Fachbereich Mathematik
Vgl. die Vorträge im Astronomischen Kolloquium der Hamburger Sternwarte
Vgl. die Vorträge im Vorträge bei DESY und die Vorträge in der Physik (Jungiusstr.)
Vorträge in der Hamburger Sternwarte (Förderverein)
Vorträge in der Mathematischen Gesellschaft Hamburg
Vgl. die Vorträge im Philosophischen Kolloquium
Vgl. die Vorträge im Zoologischen Kolloquium

Siehe auch die folgenden Veranstaltungshinweise:

Tagungen, Ausstellungen, u.s.w.

Frühere Kolloquiumsvorträge


Inhaltsangabe der Vorträge

Dr. Jürgen Trahms (Universität Hamburg, Institut für Hydrobiologie und Fischereiwissenschaft)
Die deutsche Tiefsee-Expedition 1898 bis 1899 mit dem HAPAG-Dampfschiff ,,Valdivia''

Reisebericht über die erste deutsche Tiefsee-Expedition vom 31. Juli 1898 bis 30. April 1899 mit dem HAPAG-Dampfer ,,VALDIVIA'', die von Hamburg aus auf einer Route von der Nördlichen Nordsee, dem Nord- und Südatlantik über den Indischen Ozean durch den Suez-Kanal zurück nach Hamburg führte. Es werden die Originalfotos, die während der Landaufenthalte und an Bord des fast 100m langen Dampfers mit Plattenkameras gemacht wurden, erstmals als 6x7 Großbild-Dias mit entsprechenden Großbild-Projektoren gezeigt. Bedeutsam ist diese Expedition für die Geschichte der Meeresforschung, weil hier erstmals auf Betreiben des Initiators und Fahrtleiters Prof. Carl Chun von deutscher Seite mit Unterstützung von Kaiser Wilhelm die Fauna, Flora und hydrografischen Verhältnisse der Tiefsee zweier Ozeane untersucht wurden. Auf die wissenschaftlichen Ergebnisse, die in 24 Folio-Doppelbänden veröffentlicht wurden, wird in einer kleinen Ausstellung eingegangen.

Gerhard Schöne (Archiv für Geschiebekunde, Geologisch-Paläontologisches Institut und Museum der Universität Hamburg)
Kleine Einführung in die Geschichte der Geschiebeforschung (Quartär-Geologie) am Beispiel des Schulauer Ufers bei Hamburg

Inhaltsübersicht:
1. Wo befindet sich das Schulauer Ufer?
(historischer und aktueller Zustand)
2. Zum Begriff ,,Geschiebe''
3. Zur Geschichte des Verständnisses der Eiszeit
4. Geologische Bedeutung des Schulauer Ufers
5. Was kann man dort noch finden und wie?
(sedimentäre und kristalline Geschiebe, lose Fossilien)
6. Ursprungsgebiete der Geschiebe
(Ergebnisse von historischen und aktuellen Geschiebezählungen)
7. Entwicklung der Literatur über Geschiebe seit 1660
8. Bibliographie der Geschiebe des Pleistozäns
9. Der ,,Geschiebe-Browser'' von Tobias Schöne
10. Diskussion

Prof. Dr. Hilmar W. Duerbeck (Vrije Universiteit Brüssel und WWU Münster)
Venusdurchgänge vor der Sonnenscheibe - nebst Einblicken in die `Big Science' zur Kaiserzeit

Nachdem der englische Astronom Halley 1617 auf die Möglichkeit der Bestimmung der Entfernung Erde-Sonne durch Beobachtungen von Venusdurchgängen von verschiedenen Punkten der Erde hingewiesen hatte, wurden die Ereignisse von 1761 und 1769 vor allem von französischen und englischen Expeditionen beobachtet. Da die Ergebnisse nicht die erwartete Genauigkeit aufwiesen, wurden die darauffolgenden Durchgänge von 1874 und 1882 mit ``moderneren'' Verfahren (Heliometer und Photographie) verfolgt. Das Deutsche Reich rüstete damals insgesamt neun Expeditionen aus, deren Aktivitäten durch Publikationen und Aktenbestände hervorragend dokumentiert sind, die Einblicke in Planung, Durchführung und Reduktion erlauben.

Inge Keil (Augsburg)
Naturwissenschaften in Augsburg in der Frühen Neuzeit

Es wird über mannigfache naturwissenschaftliche Aktivitäten in der Freien Reichsstadt Augsburg berichtet: von den Anfängen um 1500 in den Klöstern über Höhepunkte wie dem Aufenthalt Tycho Brahes 1569/70, der Tätigkeit des Mathematikers und Arztes Georg Henisch (gest. 1618) und des Mäzens Markus Welser (gest. 1614), dem Bau einer Sternwarte 1613 auf der Stadtbibliothek bis hin zu astronomischen und meteorologischen Beobachtungen im 18. Jahrhundert. Tycho Brahes Gastgeber gehörte einem Alchemisten-Kreis an, der sich bis ins 17. Jahrhundert verfolgen läßt, in dem vor allem Paracelsische Ideen gepflegt wurden. Žrzte und Laien betätigten sich auf botanischem Gebiet, später auch mit dem Mikroskop. Mit der Pharmacopoeia entstand 1564 eine der ersten Sammlungen von zugelassenen Arzneimitteln in Deutschland, die ständig weiterentwickelt wurde. Eine wichtige Rolle spielten die Uhr- und Kompaßmacher, Optiker und Mechaniker. Schissler, Wiesel und Brander sind ihre herausragenden Vertreter. Zu allen Zeiten wurden naturwissenschaftliche Bücher und Schriften sowie Stadtpläne und Landkarten gedruckt.

Dr. Silke Glitsch (SUB Göttingen)
Die Göttinger ,,Sammlung Asch'': Ein Beitrag zur Sammlungs- und Wissenschaftsgeschichte des 18. Jahrhunderts

Der russische Generalstabsarzt Georg Thomas von Asch (1729-1807) ist einer der größten Förderer der Göttinger Universität. Von 1771 bis zu seinem Tod versorgte er sie mit einer Vielzahl von Forschungsgegenständen und Materialien aus allen Bereichen des russischen Wissenschaftslebens. Der Vortrag untersucht die historischen Rahmenbedingungen der Entstehung der ,,Sammlung Asch'', beschreibt ihren materiellen und funktionalen Charakter und versucht, ihren Ort und ihre Bedeutung innerhalb der Sammlungs- und Wissenschaftsgeschichte des 18. Jahrhunderts zu bestimmen.

Drs. Trienke van der Spek (Leiden, Museum Boerhaave, the National Museum of the History of Science and Medicine in the Netherlands)
Jacobus Henricus van't Hoff's molecular models, scientific instruments or didactic tools?

For long, theorising about the 3 dimensional features of molecules was 'not done', being considered fantasy more than science. The spatial structure of molecules seems to have been irrelevant to chemists until the last quarter of the 19th century: their research mainly focussed on identification of substance's chemical composition. Molecular models originating from this period are mere illustrations of chemical properties of compounds and should not be mistaken with representations of true spatial structures.
J.H. van 't Hoff, a Dutch chemist and first Nobel prize winner in Chemistry in 1901, was the first to break with this tradition when he published his ideas about the spatial structure of organic compounds in 1874. In addition he made small cardboard molecular models that visualized his ideas about the three-dimensional arrangement of carbon atoms. Examples were sent to several scientists in The Netherlands, Germany, France and England.
Two sets of these models, both made with a different purpose, are preserved in Museum Boerhaave in Leiden, and one is kept in the Deutsches Museum in Munich. As the chemistry curator of Museum Boerhaave I had the opportunity to examine these molecular models in close detail, and compared them. Molecular models are interesting objects to science historians, which for instance illustrate the state of the art in 19th century chemistry. But there was more to find out with respect to Van 't Hoff's small cardboard models: I was intrigued by the question why he made them, and how they were used. Where they didactic tools? Did he use them to improve his chemical theory? Or did he use them to 'sell' his revolutionary ideas to others? I found unexpected answers to these questions.

Philip Beeley (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
Was können wir von einer Briefedition lernen? Zur Bedeutung der Korrespondenz von John Wallis für das Verständnis der mathematischen Entwicklung des 17. Jahrhunderts

John Wallis (1616-1703) war Saville-Professor für Geometrie an der Universität Oxford von 1649 bis zu seinem Tode. Er gilt zugleich als einer der führenden Mathematiker seiner Zeit. Die auf sechs Bände angelegte und am SPGN des Fachbereichs Mathematik der Universität Hamburg in Arbeit befindliche Edition seiner Korrespondenz will eine bedeutende Lücke in der Wissenschaftsgeschichte des 17. Jahrhunderts schliessen. Doch worin besteht der eigentliche Wert einer solchen Briefedition? Dieses Thema ist auch mit Blick auf die Vergabepraxis bei Fördergeldern in den letzten Jahren zunehmend in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt. Unter Heranziehung des Beispiels des Prioritätsstreits zwischen den Engländern Neile bzw. Wallis und den Niederländern Heuraet bzw. Huygens in der Frage der Rektifikation einer beliebigen Kurve sowie des Streits zwischen Wallis und dem Franzosen Roberval in der Frage der Rektifikation einer Parabel will der Vortrag zeigen, wie wichtig ein Briefwechsel aus heutiger Sicht für die Rekonstruktion geschichtlicher Abläufe sein kann. Korrespondenz spielte damals eine ganz andere Rolle als heute bei der Verbreitung von wissenschaftlichen Neuigkeiten, hatten Briefe doch oft einen eher öffentlichen Charakter. Im Vortrag wird ein besonderes Augenmerk auf den oft fragwürdigen Umgang gerichtet, den Mathematiker wie Wallis, William Brouncker und Christiaan Huygens mit ihren Ergebnissen bzw. den Ergebnissen von Dritten zu einem Zeitpunkt pflegten, als Offenheit der Wissenschaft generell als Weg in eine bessere Zukunft propagiert wurde.

PD Dr. Karl-Heinrich Wiederkehr (Universität Hamburg, SPGN)
Die Entwicklung einer theoretischen Meteorologie und Wirbeldynamik - Grundlage einer Wettervorhersage
Zum 100. Geburtstag des Geophysikers Hans Ertel (1904-1971)

Zuerst wird auf die Bedeutung Ertels für die dynamische Meteorologie und Ozeanologie hingewiesen. Unter seiner Leitung entwickelte sich das Institut für physikalische Hydrographie in Berlin nach dem 2. Weltkrieg zu einem Zentrum dieser Wissenschaft. Als eine von Ertels herausragenden Leistungen wird sein Theorem der Vortizität (Ertelscher Wirbelsatz, Potential Vorticity) angesehen - ein vielbenutzter Satz in der heutigen Wirbeldynamik und auch für die Wetterprognose von Wert. Desweiteren wird ein kurzer historischer Überblick zur Entwicklung der dynamischen und synoptischen Meteorologie gegeben mit Schwerpunkt auf Theorien der Zirkulation und Wirbel (H. von Helmholtz, W. Thomson, V. Bjerknes). Auch das für heute so wichtige Programm zur Wettervorhersage von Bjerknes wird behandelt. Beiträge Hamburger Geophysiker (G. v. Neumayer, W. Köppen, R. Scherhag) werden ebenfalls gewürdigt.

Prof. Dr. Winfried Scharlau (Universität Münster)
Alexander Grothendieck - Anarchie und Literatur, Mathematik und Spiritualität

Alexander Grothendieck (* 1928) ist einer der bedeutendsten Mathematiker des 20. Jahrhunderts. Er hat vor allem die Algebraische Geometrie revolutioniert. Das Werk vieler berühmter Mathematiker (z.B. von Faltings oder Wiles) wäre ohne seine Vorarbeiten überhaupt nicht denkbar. Über seinem Leben liegt jedoch ein geradezu mysteriöses Dunkel. Viele biographische Angaben in Literatur, Presse oder Internet sind zweifelhaft, oft frei erfunden. Sein Vater war ein russisch--jüdischer Anarchist, der an vielen sozialistischen und anarchistischen Revolutionen von 1905 bis 1936 teilgenommen hat. Seinen Lebensunterhalt verdiente er lange Zeit als Straßenfotograf, obwohl er eigentlich Schriftsteller werden wollte. Er ist in einem deutschen KZ ums Leben gekommen. Grothendiecks Mutter entstammte einer Hamburger Familie. Schon früh widersetzt sie sich allen Konventionen der bürgerlichen Gesellschaft. Sie hat einen langen unveröffentlichten autobiographischen Roman hinterlassen, der zu großen Teilen in der anarchistisch-proletarischen Szene Berlins der zwanziger Jahre spielt und einen Vergleich mit Döblins Berlin, Alexanderplatz nahe legt.
Alexander Grothendieck wächst als Pflegekind in einer Hamburger Familie auf. Auch der Lebenslauf seines Pflegevaters war höchst ungewöhnlich: Er war nacheinander Berufsoffizier, Pfarrer, Heilpraktiker, Volksschullehrer und erhielt von den Nazis Berufsverbot. Die Kriegsjahre überlebt Grothendieck in Chambon sur Lignon, wo viele Juden und andere Verfolgte Zuflucht fanden. Seine ganze Jugend wird geprägt durch Menschen, die nicht den kleinsten Kompromiss kannten.
Von 1950 bis 1970 steht Grothendieck ganz im Zentrum der modernen Mathematik. Ab dem Jahr 1970 wendet er sich zunehmend von der Mathematik ab. Zunächst interessiert ihn die aufkommende ökologische Bewegung, dann der Buddhismus, und schließlich wendet er sich immer mehr religiösen und philosophischen Themen zu. Er schreibt eine Reihe von umfangreichen mathematischen und nicht-mathematischen Meditationen, die in ihrer Mehrzahl völlig unbekannt sind. Gleichzeitig bricht er zunehmend alle Kontakte zu Verwandten, Freunden, früheren Kollegen und Schülern ab. Seit mehr als zehn Jahren lebt er in selbstgewählter Einsamkeit in einem nur wenigen Eingeweihten bekannten Dörfchen in Südfrankreich.
In dem Vortrag wird versucht, diesen ungewöhnlichen Lebensweg zu schildern.

Anregungungen bitte an:
wolfschmidt@math.uni-hamburg.de
Letzte Änderung: 18. Juni 2004

Zurück zum Anfang:

Institut für Geschichte der Naturwissenschaften, Mathematik und Technik