Universität Hamburg Fachbereich 11 - Mathematik

Institut für Geschichte der Naturwissenschaften, Mathematik und Technik


Programmübersicht Kolloquium
Sommersemester 2002 datebook.gif

Vorträge im Rahmen des Seminars

Neuere Forschungen zur Geschichte der
Naturwissenschaften, Mathematik und Technik

Montags 18.00 - 19.30 Uhr,
Geomatikum (Bundesstr. 55),
Hörsaal 6 (Erdgeschoß)

Gesamt-Programm zum Ausdrucken

Inhaltsangabe der Vorträge

08.04.2002

15.04.2002

29.04.2002

06.05.2002

13.05.2002 - Scientific Instrument Society zu Gast

20.05.2002 Pfingstferien

03.06.2002

10.06.2002

Dienstag 18.06.2002 - 18 Uhr s.t. - Hörsaal H4
Vortrag im Mathematischen Kolloquium in Zusammenarbeit mit dem Mathematischen Seminar

24.06.2002

01.07.2002

08.07.2002



Gudrun Wolfschmidt, Karin Reich


Vgl. die Vorträge im Kolloquium über Reine Mathematik (im Mathematischen Seminar)
Vgl. die Vorträge im Mathematischen Kolloquium
Vgl. weitere Vorträge im Fachbereich Mathematik
Vgl. die Vorträge im Astronomischen Kolloquium der Hamburger Sternwarte
Vgl. die Vorträge im Vorträge bei DESY und die Vorträge in der Physik (Jungiusstr.)
Vorträge in der Hamburger Sternwarte (Förderverein)
Vorträge in der Mathematischen Gesellschaft Hamburg
Vgl. die Vorträge im Philosophischen Kolloquium

Siehe auch die folgenden Veranstaltungshinweise:

Tagungen, Ausstellungen, u.s.w.

Frühere Kolloquiumsvorträge



Inhaltsangabe der Vorträge

Prof. Dr. Andre Koch Torres Assis (State University of Campinas, Brazil, Humboldt-Stipendiat im IGN, August 2001 bis Juli 2002)
Machs Prinzip und der Ursprung der Trägheit.

Newtons Begriffe über den absoluten Raum und die absolute Zeit werden in dem Vortrag behandelt und ebenso sein Gravitationsgesetz dargelegt. Insbesondere wird auf sein Eimer-Experiment eingegangen: Ein Eimer, der teilweise mit Wasser gefüllt ist, hängt an einem Seil. Wenn der Eimer und das Wasser im Ruhezustand sind, ist die Oberfläche des Wassers eine horizontale Ebene. Wenn der Eimer und das Wasser sich zusammen drehen, ist die Oberfläche des Wassers parabolisch (das Wasser steigt an den Wänden des Eimers hoch). Der Ursprung dieses Verhaltens wird diskutiert (in bezug auf was entsteht aus der Umdrehung des Wassers die parabolische Gestalt der Wasseroberfläche?). Auf die Kritik von Leibniz und Mach an Newtons Mechanik wird eingegangen. Laut Machs Prinzip entsteht die Trägheit der Wasserteilchen aus ihren Gravitationswechselwirkungen mit entfernten Himmelskörpern. Einsteins Theorien implementieren nicht diese Idee. Die Relational Mechanik, die Machs Idee aufnimmt, wird dann präsentiert. Sie benutzt auch das Webersche Gesetz für Gravitation und enthält die Konzepte von Leibniz und Mach über den Ursprung der Trägheit.
Literaturangabe: A. K. T. Assis, Weber's Electrodynamics (Kluwer Academic Publishers, 1994); A. K. T. Assis, Relational Mechanics (Apeiron, Montreal, 1999).

Dr. Ulrike Leitner (Alexander von Humboldt-Forschungsstelle, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften)
Über das wiedergefundene ,,Journal du Mexique à Veracruz'' A. v. Humboldts aus dem Blickwinkel einiger naturhistorischer Disziplinen.

>>Anciennes folies neptuniennes!<< - diese Worte schrieb Alexander von Humboldt (1769-1859) 1853 an den Rand einer Tagebuchseite seiner Amerikareise (1799 bis 1804). Damit kommentiert er seinen Wandel in einzelnen wissenschaftlichen Überzeugungen - hier in der Neptunismus-Vulkanismus Debatte, die um 1800 mit einiger Heftigkeit geführt wurde.
Die sog. amerikanischen Tagebücher sind in der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz deponiert und in Auszügen in mehreren Bänden von der A.-v.-Humboldt-Forschungsstelle der BBAW publiziert (siehe
http://www.bbaw.de/vh/humboldt/pub.html#Schriftenreihe_Beitraege). Der die Reise von Mexico nach Veracruz betreffende Abschnitt fehlt jedoch in den Tagebüchern, die Humboldt selbst gegen Ende seines Lebens binden ließ. Vor einiger Zeit entdeckte ich dieses Stück in dem Nachlaß Humboldts in Krakau, der seit kriegsbedingten Auslagerungen bis vor kurzem als verschollen galt.
Dieses Tagbuchteil möchte ich in meinem Vortrag vorstellen und daran beispielgebend für Humboldts umfangreiches Lebenswerk zeigen, wie Humboldt bestimmte Entwicklungen einzelner Disziplinen (Botanik, Pflanzengeographie, Geologie, Klimatologie u.a.) mit seinen naturwissenschaftlichen Ergebnissen und Schlußfolgerungen beeinflußte.

Dr. Kai Torsten Kanz (Universität Lübeck, Institut für Medizin- und Wissenschaftsgeschichte)
Von der Auferstehung zum Reformstau: Die Leopoldina unter ihrem Präsidenten Nees von Esenbeck 1818 bis 1858.

Nach einem jahrzehntelangen ,Todesschlaf' wurde die vor 1652 gegründete Kaiserliche Leopoldinisch-Carolinische Deutsche Akademie der Naturforscher durch ihren im Jahr 1818 neugewählten XI. Präsidenten, den Botaniker Christian Gottfried Nees von Esenbeck (1776-1858), neu belebt. Namhafte Ärzte und Naturforscher aus dem In- und Ausland wurden zu Mitgliedern gewählt und durch die finanzielle Unterstützung Preussens erhielt die Leopoldina die Möglichkeit, ihre Akademiezeitschrift wieder regelmässig in opulenter Ausstattung drucken zu lassen. Die innere Struktur der Akademie blieb jedoch weiterhin auf den Präsidenten fixiert, der aufgrund seines privaten und politischen Lebens als Professor an der Universität Breslau 1851 suspendiert und 1852 ohne Pension entlassen wurde, was für die Leopoldina nicht ohne Folgen blieb. Abgesehen von seiner immensen Lebensleistung für die Akademie hinterliess Nees von Esenbeck bei seinem Tode 1858 der Leopoldina einen Schuldenberg und vielfache strukturelle Probleme, die erst von seinen Nachfolgern im Amt gelöst werden konnten.

PD Dr. Harmut Hecht (Berlin, Leibniz-Edition)
Empirie bei Leibniz.

Gottfried Wilhelm Leibniz gilt neben René Descartes und Baruch de Spinoza als Repräsentant der großen rationalistischen Systeme des 17. Jahrhunderts. Diese philosophiehistorische Einordnung ist für die Wahrnehmung seiner naturwissenschaftlichen Arbeiten nicht folgenlos geblieben, so dass bis heute Logik und Mathematik im Vordergrund stehen, wenn von Leibniz' Physik die Rede ist. Mit dem Beginn der Edition der naturwissenschaftlichen, technischen und medizinischen Schriften im Rahmen der Akademie-Ausgabe (Reihe VIII) wird die tradierte Auffassung jedoch zunehmend problematischer. Leibniz hat, wie sich zeigt, nicht nur die experimentellen Ergebnisse seiner Zeit genauestens registriert, er hat selbst sehr viele Experimente entworfen und deren Funktion als Entscheidungsinstanz im Falle konkurrierender Hypothesen diskutiert.
Der Vortrag wird einige Ergebnisse der bisherigen Arbeit an Reihe VIII der Akademie-Ausgabe präsentieren und die systematische Bedeutung von Experimenten für den Leibnizschen Erfahrungsbegriff diskutieren.

Dr. Peter Heering; Prof. Dr. Falk Rieß (Universität Oldenburg)
The replication method as an access to historical scientific practice: Fizeau's measurement of the speed of light.

The characteristic of our approach in the historiography of science is the replication method. This approach includes the reconstruction of historical devices, the redoing of the experiment and the historical contextualisation of the experiences made. Our presentation is designed to serve as a brief introduction into this method. In particular we will focus on the aspects of how to reconstruct a device, how to redo the experiment, and what to learn from the outcome. To be more specific we will not only discuss these topics on a general level but also exemplify the method by discussing one of the classical experiments from the history of physics: Fizeau's toothed wheel experiment that had been the first terrestrial determination of the speed of light. In discussing the devices technical requirements can be demonstrated as well as experimental skills, both being necessary for the success of the experiment.

Dr. Stefan Siemer (München, Deutsches Museum)
Die Sammlung in Bewegung: Naturgeschichtliches Sammeln in London und Danzig im frühen 18. Jahrhundert.

Um 1700 vollzieht sich auf dem Gebiet der Naturgeschichte ein grundsätzlicher Wandel: die Wunder- und Raritätenkammern des 16. und 17. Jahrhunderts verwandeln sich in spezialisierte Forschungseinrichtungen, in deren Mittelpunkt die Ordnung und Systematik der natürlichen Welt steht.
Die neue ,,Ordnung der Dinge'' (Foucault) beruht jedoch nicht allein auf einem epistemischen Wandel, sondern verdankt sich zudem Veränderungen in der Art und Weise, in der die Gelehrten zu Beginn des 18. Jahrhunderts untereinander und im weiteren Sinne mit einer wissenschaftlich interessierten Öffentlichkeit kommunizieren.
Naturforscher organisieren sich in Netzwerken, als deren Knotenpunkte sich die naturgeschichtlichen Sammlungen begreifen lassen. Zeitschriften und vor allem die bislang nur wenig beachteten Briefwechsel sind ein unverzichtbares Medium der Verständigung. Aus der Nahperspektive einer Alltagskommunikation im Umfeld naturgeschichtlicher Forschung erweist sich das Sammeln und die Ordnung der Sammlung als ein höchst dynamischer Prozess.
Die Einbindung von Sammlungsobjekten in den Kontext wissenschaftlicher Verständigung hat Konsequenzen für die Stellung von Sammlungsobjekten überhaupt. Sie sind nicht mehr Teil eines naturhistorischen Schauraums in der Tradition der Wunderkammer, sondern Bestandteil eines spezialisierten und vernetzten Forschungsraums.
Dies soll am Beispiel des Danziger Sammlers Johann Philipp Breyne (1682-1763) und seiner Kontakte zum Londoner Sammler und Präsidenten der Royal Society Sir Hans Sloane (1660-1753) aufgezeigt werden. Die Debatte um die richtige erdgeschichtliche Einordnung von sibirischen Mammutfunden und die daran anknüpfende Frage, ob es sich um rezente oder fossile Arten handeln könnte, bildet hierbei den Ausgangspunkt. Darüber hinaus ist zu fragen nach dem Verhältnis von wissenschaftlichem Zentrum und Peripherie und dem Aufbau von Netzwerken, mittels derer Wissen und Objekte in Bewegung gesetzt werden.

Walter Lenz (Universität Hamburg, Zentrum für Meeres- und Klimaforschung)
Hamburgs Beitrag zur Entwicklung der Meeresforschung in Deutschland.

Hamburg als Hafenstadt - geprägt insbesondere vom Überseehandel - hat sich seit Beginn der institutionalisierten Meeresforschung, die in Deutschland mit der Reichsgründung einsetzte, diesen Aufgaben gestellt. Das Engagement war allerdings immer von konservativ kaufmännischen Überlegungen geleitet, wie es die Gründungsgeschichte der Universität besonders deutlich zeigt. Als Meilensteine sind zu nennen: die Gründung der Deutschen Seewarte 1875; die Schaffung des ersten Lehrstuhls für Meereskunde 1937 und für Fischereiwissenschaft 1947; die Ansiedlung der Bundesforschungsanstalt für Fischerei und der Zentrale der Biologischen Anstalt Helgoland 1962; die Gründung des Max-Planck-Instituts für Meteorologie 1975 und des Deutschen Klimarechenzentrums 1987 in und neben dem Geomatikum; die Zusammenfassung der marin orientierten Institute der Universität zum Zentrum für Meeres- und Klimaforschung 1989. Derzeit entsteht ein Neubau neben dem Geomatikum und in unmittelbarer Nähe wird in den nächsten Jahren ein Gebäude der chemischen Institute für Meeresforschungszwecke umgebaut. Das ganze firmiert dann unter dem Namen Zentrum für Marine und Atmosphärische Wissenschaften (ZMAW).

Prof. Dr. Michael van Renteln (Universität Karlsruhe, Fakultät für Mathematik)
Leonhard Euler und die Geschichte der Mathematik.

Leonhard Euler (1707-1783), der an den Akademien in Berlin und St. Petersburg wirkte, ist der größte und vielseitigste Mathematiker des 18. Jahrhunderts. In seinem riesigen Werk finden sich Verbindungen zu fast allen mathematischen Disziplinen. Seine Schriften beeinflußten im hohen Maße Forschung und Lehre bis in unsere heutige Zeit.
Anhand des wechselvollen Lebens von Leonhard Euler sollen Aspekte der Mathematik- und Wissenschaftsgeschichte des 18. Jahrhunderts aufgezeigt und Kostproben seines mathematischen Schaffens gegeben werden. Insbesondere wird auf ein berühmtes mathematisches Problem eingegangen, welches die größten Mathematiker vor Euler (darunter Leibniz, Jakob und Johann Bernoulli) nicht zu lösen vermochten.

Dr. Elisabeth Vaupel (München, Deutsches Museum)
Die Deutsche Chemische Gesellschaft und ihre Aktivitäten im deutsch-französischen Krieg 1870/71.

Das erste große Projekt der 1868 gegründeten Deutschen Chemischen Gesellschaft, das allgemein-politische Bedeutung hatte, befaßte sich mit der Desinfektion der Schlachtfelder im deutsch-französischen Krieg 1870/71. Die Gesellschaft bemühte sich auf Betreiben August Wilhelm Hofmanns, ihres Begründers, eifrig darum, deutsche und englische Frabrikanten dazu zu gewinnen, schnellstmöglich und gratis Desinfektionsmittel - Chlorkalk, und, was besonders bemerkenswert ist, die erst kurz zuvor von Joseph Lister propagierte Carbolsäure (Phenol)- in großen Quantitäten zur Verfügung zu stellen. Mit dieser Initiative wurde bezweckt, die Leistungsfähigkeit von chemischen Produkten im humanitären Bereich, d.h. bei der Pflege von Kranken und Verwundeten, zu demonstrieren. Die in der Gesellschaft organisierten Chemiker arbeiteten Desinfektionsvorschriften aus und organisierten Komitees, um die richtige Ausführung dieser Vorschriften zu überwachen. Dank dieser Maßnahmen konnte das Ausbrechen kriegsüblicher Seuchen (Cholera, Thyphus etc.) verhindert werden. Besonderes betont wird die innovative Einführung der Carbolsäure (Phenol) in der deutscher Militärmedizin.
Auch auf französischer Seite stellten Chemiker, die in der Société Chimique de Paris organisiert waren, ihre Kenntnisse in den Dienst des Vaterlandes. Anders als auf deutscher Seite ging es hier aber vor allem darum, so schnell wie möglich chemische Surrogatnahrungsmittel für die im belagerten Paris eingeschlossene, hungernde Bevölkerung zu entwickeln und bessere Sprengstoffe zu entwickeln, mit deren Hilfe man sich gegen die militärisch übermächtigen Deutschen hoffte, wehren zu können. Diese Projekte waren allerdings von wenig Erfolg gekrönt.
Somit untersucht der Vortrag die Rolle der Chemie im Spannungsfeld des deutsch-französisischen Antagonismus in der Zeit von 1870-1874.

Dr. Karsten Gaulke (Stuttgart)
,,... ein Gestirn, von der Art eines weit entfernten Brandes ...'': Johannes Kepler und der ''Neue Stern'' von 1604.

Johannes Kepler wird in der Astronomiegeschichte im wesentlichen als Vater einer ,,Neuen Astronomie oder Physik des Himmels'' gesehen. Weniger wahrgenommen wird, dass sich Kepler auch intensiv mit kosmologischen Fragen auseinandergesetzt hat. Beispielsweise finden sich in ,,Astronomiae Pars Optica'' (1604) und besonders ,,De Stella Nova'' (1606) Textstellen zur Morphologie der Fixsterne und - aus damals aktuellen Anlaß - der ,,Neuen Sterne''. Der Vortrag soll aufzeigen, welcher Methodik sich Kepler bei der Klassifizierung dieser Gestirne bediente und die Frage beantworten, inwieweit Kepler dieser Methodik während seines Forscherdaseins treu blieb.



Anregungungen bitte an:
wolfschmidt@math.uni-hamburg.de
Letzte Änderung: 18. Juli 2002

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