Das Institut für Europäische Kulturgeschichte ist am 1. Oktober 1990 gegründet worden und hat sich die Durchführung und Verbreitung von interdisziplinären Forschungen zur europäischen Kulturgeschichte zur Aufgabe gemacht. Diese Forschungen basieren auf der Untersuchung der historischen Quellenbestände der Bibliotheken, Archive und Museen in Augsburg und Schwaben. Unter anderem waren die reichhaltigen Bestände der Öttingen-Wallerstein-Bibliothek für uns von Bedeutung.
"Hausväterliteratur" bezeichnet eine Gruppe von Werken, die vorwiegend in Deutschland zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert entstanden ist und die "Lehre vom Haus" beinhaltet. Sie setzt die antike Ökonomik, die vor allem durch Xenophon und Aristoteles begründet wurde, fort. Alle Tätigkeiten und zwischenmenschlichen Beziehungen, wie das Verhältnis von Mann und Frau, Eltern und Kindern, Herren und Gesinde und die als Teil des Hauses gedachte Landwirtschaft werden darin behandelt. Praktische Erfahrungen im Haushalt, wirtschaftliche Anweisungen, Kochrezepte, Hausmedizin und Agrarinstruktionen wurden für Grundbesitzer und Adel gesammelt. Dies ist aber keine Sammlung von Einzelwissen, sondern wird durch das ordnende Prinzip des Hauses und die leitenden Funktionen des Hausherrn zusammengehalten. Im 18. Jahrhundert erfahren die Hausväterbücher noch zahlreiche Neuauflagen und Ausarbeitungen, verlieren aber dann u.a. durch die Ausdifferenzierung der Wissenschaften an Bedeutung.
Einer der wichtigsten Vertreter dieser Literaturgattung ist Johannes Coler (1566-1639), dessen "Oeconomia ruralis et domestica" insgeamt 14 Auflagen erlebte, so daß man in seinem Werk und in der Rezeption gleichsam im Kleinen eine Geschichte der Gattung nachvollziehen kann.
Das Seminar hatte sich zur Aufgabe gesetzt, festzustellen und zu dokumentieren, in welchem Kontext und in welchem Umfang verschiedene Zweige der Mathematik und der Astronomie (vom Vermessungswesen über Astrologie und Kalenderwesen bis hin zur Mechanik) in dieser Literatur eine Rolle spielten. Wir hatten fünf Tage lang die Möglichkeit, uns die Bestände der Universitäts- und der Staats- und Stadtbibliothek anzuschauen: Von De Crescentiis über Coler und Hohberg bis Münchhausen. Es stellte sich heraus, daß mathematische und astronomische Inhalte erwartungsgemäß fast ausschließlich in einer stark popularisierten und vereinfachten Form Eingang fanden. Trotzdem gibt es eine große Bandbreite in der Darstellung mathematisch relevanter Kenntnisse, die von der einfachen Konstruktion eines rechten Winkels bis zur Berechnung und dem Bau von Vielflächen-Sonnenuhren reicht. Aus der Inhomogenität des Materials ergab sich die Notwendigkeit, eine kommentierte Analyse nach verschiedenen Kategorien durchzuführen, um Vergleichbarkeit zu erzielen. Hierzu gehören: Proportionen, Astronomie und Astrologie, Maße, Gewichte und Münzen, Mechanik und Geräte. Aufgabe einer Fortsetzung des Seminars könnte die vertiefende Untersuchung einzelner Wissenschaftsbereiche und deren Niederschlag in der Hausväterliteratur sein.
Unter anderem hatten wir durch Frau Dr. Weber (Mitarbeiterin am Institut für Europäische Kulturgeschichte) auch die Möglichkeit, die Stadt Augsburg zu besichtigen und die kulinarische Seite von Schwaben kennenzulernen.
Sergine Dupont