Vorträge im Rahmen des Seminars
Montags 18.00 - 19.30 Uhr,
Dr. Armin Wirsching (Hamburg)
Dr. Klaus Staubermann (Utrecht)
Dipl. Phys. Wolfgang Steinicke (Freiburg)
Kerrin Riewerts (Paderborn)
Dipl.-Phys. Klaus-Heinrich Peters (Hamburg, IGN)
Dr. Gottfried Zirnstein (Leipzig)
Kolloquium aus Anlaß des 20jährigen Bestehens der Hans Schimank-Gedächtnis-Stiftung
Prof. Dr. Thomas Sonar (TU Braunschweig)
Dr. Anja Skaar Jacobsen (Universität Århus)
Dr. Kai Handel (Universität Hannover)
Dr. Charlotte Schönbeck (Heidelberg)
Zurück zum Anfang:
Programmübersicht Kolloquium
Wintersemester 2002/03
Neuere Forschungen zur Geschichte der
Naturwissenschaften, Mathematik und Technik
Geomatikum (Bundesstr. 55),
Hörsaal 6 (Erdgeschoß)
Gesamt-Programm zum Ausdrucken
Inhaltsangabe der Vorträge
Wie die ägyptischen Obelisken Rom erreichten.
Gespenster sehen - Magie und Wissenschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Der "New General Catalogue of Clusters and Nebulae" (1888-1908)
und seine Beobachter.
Entwicklung, Herstellung und Verbraucherschutz von kosmetischen Mitteln um 1900 am Beispiel von Seife und Haarfärbemitteln.
Der Zusammenhang zwischen Mathematik und Physik am Beispiel der Geschichte der Distributionen.
Entwicklung in der Natur - Ansichten und Argumente für und wider namentlich im 18. und 19. Jahrhundert bis zu Darwin (1859).
und des 400sten Geburtstages von Otto von Guericke
(PPT-File)
Bericht über die Tätigkeit der Schimank-Stiftung während ihrer ersten zwanzig Jahre.
Hans Schimanks Otto von Guericke.
Die Welt im leeren Raum - Otto von Guericke (1602-1686).
Ein virtueller Rundgang durch die Magdeburger Ausstellung.
Vortrag im Mathematischen Kolloquium in Zusammenarbeit mit dem IGN
Der fromme Tafelmacher - Die frühen Arbeiten des Henry Briggs.
Speculative chemistry in the periphery of German Romanticism: Hans Christian Ørsted's chemical
philosophy.
Die Rolle der Leopoldina in der DDR-Zeit.
Die Zukunft der Hochschulen - eine Analyse der aktuellen hochschulpolitischen Entwicklungen.
Philipp Lenard und die frühe Geschichte
der Relativitätstheorie.
Sommersemester 2003
Nationalizing Science: Was Chemistry French or German in its Origins?
Katrin
Müller (Hamburg)
Astronomie und Kosmologie im ''Liber Floridus'' (ca. 1120) des Lambert von Saint-Omer: Bilder als Erkenntnismittel.
Dr. Nils
Büttner (Dortmund, Universität, Fachbereich Kunst)
(Weltbild, Kartenbild).
Dr. Wilhelm
Füßl (München, Deutsches Museum, Archiv)
Staudinger ? Haber?
Dr. Gerhard
Rammer (Göttingen)
Göttinger Physiker nach 1945.
Tagungen, Ausstellungen, u.s.w.
Inhaltsangabe der Vorträge
Wie die ägyptischen Obelisken Rom erreichten.
Plinius d. Ä. berichtet:
Eine ganz besondere
Schwierigkeit bereitete der Transport der Obelisken auf dem Seeweg
nach Rom auf äußerst sehenswerten Schiffen (nat. hist. 36; 14,
70). Die Schiffe waren erstaunlicher als alles, was jemals auf dem
Meer gesehen wurde (nat. hist. 16; 4, 13).
Es gibt jedoch weder ein Bild noch eine Beschreibung des
römischen Obeliskenschiffes. Angenommen wird, dass es rund 500
Tonnen Fracht und 800 Tonnen Ballast tragen konnte. Gab es solch ein
gigantisch großes Schiff wirklich? Im Vortrag wird
nachgewiesen, dass die Römer die ägyptische
Transporttechnologie auf den Hochseetransport anwandten. Hiervon
ausgehend kann das römische Schiff in seinen Grundzügen
rekonstruiert werden.
Gespenster sehen - Magie und Wissenschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Das 19. Jahrhundert war ein Zeitalter wachsenden wissenschaftlichen
Selbstbewußtseins. Dies drückte sich auch in der Verwendung
wissenschaftlicher Instrumente und der Gestaltung wissenschaftlicher
Experimente aus. Im meinem kleinen Vortrag versuche ich zu zeigen, wie
Instrumente aus der Unterhaltungskultur des 19. Jahrhundert den Weg in
die Naturwissenschaft fanden und dort halfen, wissenschaftlichen
Konsens zu erzielen. Weiter möchte ich zeigen, wie das aus diesem Konsens
erwachsende Selbstbewußtsein dazu beitrug, Experimente in Bereiche zu
tragen,die vormals der Magie und Zauberei vorbehalten waren. Schließlich
versuche ich zu zeigen, daß es letztendlich die Berufsmagier waren, die zwar
ohne naturwissenschaftliche Ausbildung aber mit handwerklichem
Geschick wieder eine Grenze zwischen Naturwissenschaft und Magie aufzeigen
konnten, die die erstere in ihrem wachsenden Selbstbewußtsein überschritten
hatte.
Der New General Catalogue of Clusters and Nebulae (1888-1908)
und seine Beobachter
Die vollständige Revision von J.L.E. Dreyer`s NGC (1888) und
seiner Ergänzungen (IC, 1895 und 1908) anhand der historischen
Quellen ist ein umfangreiches Projekt. Die Kataloge von Dreyer -
die immer noch als klassische Bezeichnungsweise nichtstellarer
Objekte dienen - sind Zusammenstellungen sehr inhomogener
Beobachtungsdaten einer groen Zahl von Beobachtern (ca. 150). Bei
der Analyse der Daten spielen diese Personen, ihre Instrumente und
Beobachtungsbedingungen eine entscheidende Rolle. Es ist klar, dass
bei ca. 14.000 Objekten viele "puzzles" zu lösen sind. Ich
möchte den aktuellen Stand des Projektes anhand von Beispielen
- vor allem unter dem Aspekt der Beobachter und ihrer Biographien -
vorstellen.
Entwicklung, Herstellung und Verbraucherschutz von kosmetischen Mitteln um 1900 am Beispiel von Seife und Haarfärbemitteln.
Schönheit und Schönheitspflege spielten schon immer eine
wichtige Rolle im menschlichen Sozialverhalten. Während die
Herstellung von kosmetischen Mitteln in der Antike und im Mittelalter
gut dokumentiert wurde, ist die Forschungslage in der Neuzeit
dünn. Am Beispiel Toilettenseife und Haarfärbemittel wird
Herstellung, Entwicklung und Verbraucherschutz beschrieben.
Toilettenseife als reinigendes Kosmetikum wurde bis Ende des
19. Jahrhundert empirisch produziert. Ab 1900 begann wissenschaftliches
Arbeiten; neue Rohstoffe und automatisierte Prozesse verdrängten
die konventionelle Seifensiederei. Um 1890 kamen organische
Haarfärbemittel aus der Teerfarbenproduktion auf den Markt und
lösten blei- und silberhaltige Mittel ab. Daraufhin traten
schwere Gesundheitsschäden auf.
Der Zusammenhang zwischen Mathematik und Physik am Beispiel der Geschichte der Distributionen.
Die Physikgeschichte ist voller Beispiele für die intuitiv richtige
Verwendung mathematischer Größen, deren eigentlich mathematischer
Gehalt den Beteiligten oft völlig im Dunkeln lag.
Das hier zu betrachtende Beispiel der Theorie verallgemeinerter Funktionen
(Distributionen) gehört zu den eindrucksvollsten Exemplaren dieser Art.
Verallgemeinerte Funktionen wurden von Physikern seit Ende des
19. Jahrhunderts zur Lösung verschiedener Probleme benutzt.
Mit der von Paul A.M. Dirac 1927 in die Quantenmechanik eingeführten
,,d-Funktion'' gelangten uneigentliche Funktionen erstmals in
systematischen Gebrauch ins Herz des physikalischen Formalismus.
Obwohl die von Dirac geforderten Eigenschaften der
d-Funktion sich im Lichte der damaligen
Analysis selbst widersprachen, konnte sie höchst erfolgreich im frisch
entstandenen Formalismus der Quantenmechanik verwendet werden.
Es entstand die kuriose Situation, dass mit mathematisch sinnlosen Hilfsmitteln
höchst sinnvolle physikalische Ergebnisse erzielt werden konnten.
Widerspruch kam vor allem von den der Physik nahestehenden Mathematikern,
vor allem von John von Neumann (1903-1957). Dieser legte mit seiner
Spektraltheorie einen mathematisch korrekten Formalismus der Quantenmechanik
vor, der das Problem der d-Funktion umgehen konnte.
Die Physiker hielten aber weiterhin an dem Gebrauch verallgmeinerte
Funktionen fest, einerseits aus praktischen Gründen, andererseits
weil diese mit der Entstehung der Quantenfeldtheorie noch tiefer ins
Zentrum der theoretischen Physik rückten. Aber gerade in der
Quantenfeldtheorie stiftetete der fragwürdige mathematische
Charakter der verallgemeinerten Funktion weitere Verwirrung, die sich
in den Divergenzproblemen der Quantenelektrodynamik und in der
Renormierungstheorie zeigte.
Erst mit den
Arbeiten von S. Sobolev 1936 und vor allem der Arbeit von L.
Schwartz 1945-50 wurde mit der Theorie der Distributionen
der mathematische Grundstein zum prinzipiellen Verständnis
gelegt.
Der Vortrag verfolgt ein doppeltes Ziel:
Erstens soll die Geschichte des Gebrauchs von verallgemeinerten
Funktionen von ihren Anfängen bei Gustav Kirchhoff in den
1880er Jahren bis in die 1950er Jahre hinein skizziert werden.
Zweitens soll aufgrund des sich hier auftuenden
Spannungsverhältnisses zwischen Mathematik und Physik die
Beziehung der Physiker zur exakten Mathematik beleuchtet werden
und damit deren Verständnis der Rolle der Mathematik in der
Physik insgesamt. Die Diskussion wird sich dabei um die Benutzung
der d-Funktion in der Quantenmechanik
zentrieren. Davon ausgehend soll durch Interpretation
verschiedener Originaltexte und von Briefen die Rolle der
Mathematik in der Physik im Denken Diracs, Paulis und von Neumanns
beleuchtet werden.
Entwicklung in der Natur - Ansichten und Argumente für und wider namentlich im 18. und 19. Jahrhundert bis zu Darwin (1859).
Veränderung, Umbildung in der Natur wurde zuerst nicht
für Organismen, sondern im Gefolge auch von gedanken zu
Veränderungen in der Gesellschaft zuerst für Himmelskörper
und namentlich der Erde erörtert. Das Konzept Buffons rechnete
mit einer unumkehrbaren Umbildung, das Konzept Huttons mit einer
fortlaufenden Wiederkehr der gleichen Erscheinungen, und einige
rechneten mit abrupten, andere mit schittweisen Umbildungen -
Vorstellungen, die auch den neueren Evolutionstheorien nicht fremd
sind. Für die Organismen wurde nach 1809 von den verschiedensten
biologischen Disziplinen, namentlich auch von Paläontologie und
Biogeographie, die Neuentstehung von Formen diskutiert, aber mit
damals einleuchtenden Argumenten eher auf Urzeugung als auf
abweichende Nachkommenschaft zurückgeführt. Die Akzeptierung der
Evolutionstheorie war keine Trivialität.
und des 400sten Geburtstages von Otto von Guericke
Bericht über die Tätigkeit der Schimank-Stiftung während ihrer ersten zwanzig Jahre.
Hans Schimanks Otto von Guericke.
Die Welt im leeren Raum - Otto von Guericke (1602-1686).
Ein virtueller Rundgang durch die Magdeburger Ausstellung.
Der fromme Tafelmacher - Die frühen Arbeiten des Henry Briggs.
Henry Briggs (1561-1630) ist berühmt für die Entwicklung
der dekadischen Logarithmen, früher auch oft ''Briggssche
Logarithmen'' genannt. Weit weniger bekannt ist die Tatsache, dass die
Entwicklung der Logarithmen erst in seinem letzten Lebensabschnitt
stattfand. Geboren in Yorkshire, ausgebildet in Cambridge,
entwickelte sich Briggs im Elisabethanischen Wissenschaftsbetrieb zu
einem Mathematiker außergewöhnlichen Ranges. Als Professor
am Gresham College arbeitete er an navigatorischen Problemen gemeinsam
mit anderen Größen seiner Zeit, wie Gilbert, Wright, Gunter
und anderen. In dieser Zeit tritt er hauptsächlich als
Tafelmacher in Erscheinung, dessen mathematische Tafeln in den Werken
anderer erscheinen. Im Vortrag werde ich über die frühen
(d.h. vorlogarithmischen) Arbeiten vortragen. Unter anderem werde ich
über die vollständige Rekonstruktion des Gilbertschen
Instruments zur Bestimmung des Breitengrades aus der Neigung einer
magnetischen Nadel berichten und die Berechnung einer zugehörigen
Briggsschen Neigungstabelle im Detail erläutern. Die Rolle
Briggs' wird dabei im Umfeld seiner Freunde und im Hinblick auf die
damalige Zeit beleuchtet, dessen wissenschaftliche und politische
Umbrüche den Beginn eines neuen Zeitalters markierten.
Speculative chemistry in the periphery of German Romanticism: Hans Christian Ørsted's chemical
philosophy.
Today Hans Christian Ørsted (1777-1851) is more or less
unknown as a chemist, even though that was his main profession in the
beginning of the 19th century. Educated as a pharmacist and with a
doctoral degree in philosophy he travelled through Europe just after
Volta's invention of the galvanic pile and gathered material and
inspiration for a grand project involving serious both ontological,
epistemological, and methodological changes in the science of
chemistry. In my talk I will outline Ørsted's speculative
project in chemistry on the background of the heavy influence on him
from German philosophy and characterise his chemical philosophy in the
context of the general chemical development in the period, for example
by comparing his electrochemical theory with Davy's and
Berzelius'.
Dr. Sybille Gerstengarbe (Halle an der Saale, Martin-Luther-
Universität/Leopoldina)
Die Rolle der Leopoldina in der DDR-Zeit.
Die Leopoldina hatte während der Zeit der Teilung
Deutschlands (1945-1989) eine in ihrer Geschichte bisher einmalige
Funktion, da sie weiterhin als gesamtdeutsche Akademie agierte und
eine Brücke zwischen Ost- und Westwissenschaftlern bildete. Im
Vortrag soll der gesamtdeutsche Charakter der Akademie analysiert und
der Vergleich zu den anderen Wissenschaftsakademien in der DDR gezogen
werden. An konkreten Beispielen werden Konflikte dargestellt, die das
Leopoldina-Präsidium mit Vertretern des Staates hatte. Die
größte Ausstrahlung auf die wissenschaftliche
Öffentlichkeit hatte die Akademie durch ihre Jahresversammlungen,
die es den ''Ostwissenschaftlern'' ermöglichten, persönliche
Kontakte zu Kollegen aus aller Welt zu knüpfen. über den
engeren wissenschaftlichen Rahmen hinaus entfalteten
Leopoldinamitglieder aus der Bundesrepublik anlässlich der
Jahresversammlungen im kirchlichen Raum eine wirkungsvolle Vortrags-
und Diskussionstätigkeit. Die Sicht von Partei- und Staatsstellen
und Informellen und hauptamtlichen Mitarbeitern des Ministeriums
für Staatssicherheit auf die Akademie soll an Beispielen
dargestellt werden.
Die Zukunft der Hochschulen - eine Analyse der aktuellen hochschulpolitischen Entwicklungen.
Schlagwörter wie Zielvereinbarungen, Mittelverteilung,
Evaluation, Profilbildung, Studienkonten, Excellenzförderung und
immer wieder die Leere der öffentlichen Kassen und somit die
unzureichende Finanzierung der öffentlichen Hochschulen bestimmen
die hochschulpolitische Diskussion. Eine knappe historische Analyse
der gesellschaftlichen Rolle der Hochschulen in Deutschland in den
letzten 50 Jahren bietet den Hintergrund, vor dem die wesentlichen
Trends der aktuellen Hochschulpolitik erläutert und diskutiert
werden sollen. Abschließend wir ein Ausblick auf mögliche
und nach Einschätzung des Vortragenden wahrscheinliche Zukunft
der Hochschulen in Deutschland gegeben.
Philipp Lenard
und die frühe Geschichte der Relativitätstheorie.
Um die Entwicklung der Relativitätstheorie - der speziellen
und der allgemeinen Relativitätstheorie - gab es in den zwanziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts heftige Auseinandersetzungen, die weit
über den üblichen wissenschaftlichen Rahmen hinaus gingen
und in die breite Öffentlichkeit getragen wurden. Welche Rolle
der Nobelpreisträger Philipp Lenard (1862-1947) in diesen
wissenschaftlichen und politischen Diskussionen um die
Relativitätstheorie spielte, soll im Vortrag herausgearbeitet
werden. Lenard gehörte zu Beginn des letzten Jahrhunderts durch
seine genialen experimentellen Untersuchungen - insbesondere durch
seine Beiträge ber Kathodenstrahlen - zu den Wegbereitern der
modernen Physik. Das änderte sich nach dem Ersten Weltkrieg, als
er die Entwicklung der modernen Physik immer kritischer beurteilte. Er
wurde schließlich als extremer Anhänger des Nationalsozialismus
zum führenden Vertreter der ,,Deutschen Physik''.
wolfschmidt@math.uni-hamburg.de
Letzte Änderung: 4. Dezember 2002