Institut für Geschichte der Naturwissenschaften,
Mathematik und Technik
Virtueller Stadtrundgang in Hamburg -
Kulturgeschichte, Naturwissenschaft und Technik
Frauen in der Hamburger Sternwarte
Frauen in der Astrophysik
Mit der Entwicklung der modernen Astrophysik ergab sich in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein neues Aufgabenfeld.
Damals [1862] begann ein astronomisches Observatorium zum
ersten Mal wie ein Laboratorium auszusehen.
Batterien, die schädliche Gase ausströmten, standen
draußen vor dem Fenster; eine große Induktionsspule war auf
einem Wagen so montiert, daß sie der Bewegung des Okulars folgen
konnte; daneben stand eine Reihe Leidener Flaschen; Regale mit
Bunsenbrennern, Vakuumröhren und Flaschen mit Chemikalien
... füllten die Wände. ...
Im Februar 1863 verlor die Sternwarte noch mehr ihren streng
astronomischen Charakter, als in einer Ecke ein kleines
photographisches Zelt aufgebaut wurde, das als Dunkelkammer mit
Bädern und anderem Zubehör für die Entwicklung der feuchten
Kollodiumplatten ausgestattet war.Huggins, William:
The New Astronomy. In: Nineteenth Century 1897.
Während man in der klassischen Astronomie die Beobachtungen direkt
am Fernrohr durchführte, hatte die Astrophysik mit der
Spektroskopie, Photometrie und Photographie zeitaufwendige
Auswertungen im Labor zur Folge.
Es waren also nach den Beobachtungen in der Nacht während des Tages
umfangreiche Arbeiten nötig, dabei konnte es sich zum Beispiel um
Rechnungen handeln oder um Messung von Vergleichslinien im Labor.
Ein Beispiel war die Bestimmung der Koordinaten und Helligkeiten von
Hunderten von Sternen auf Photoplatten des Himmelskarten-Projekts,
das 1887 in Paris als internationale Zusammenarbeit gestartet wurde.
Probleme der Frauen-Bildung
im 19. Jahrhundert
Im Gegensatz zu Amerika oder zum übrigen Europa hatten Frauen in
Deutschland viel größere Schwierigkeiten im 19. Jahrhundert:
- Fehlendes Gymnasium für Mädchen oder Lyzeum,
um ein Abitur zu machen (Voraussetzung für die Universität)
- Die Koedukation in der Schule (die Aufnahme von Mädchen
in Jungenschulen wurde erst in den 1920er Jahren erlaubt.
- Immatrikulation war nicht möglich bis in die 1890er Jahre,
- Promotion war nicht erlaubt
(Die erste Promotion einer
Frau gelang der Physikerin Else Neumann
an der Berliner Uni 1899),
- Habilitation war nicht erlaubt (erst ab 1920).
Frauen in deutschen Observatorien um 1900,
speziell in der Hamburger Sternwarte
Hermann Carl Vogel (1841-1907), Direktor des Astrophysikalischen
Observatoriums Potsdam, erkannte bereits 1888 die Vorzüge der
Aktivitäten am harvard-Observatorium in Cambridge, Mass. bzgl. der
Einstellung weiblicher Arbeitskräfte und die sich daraus ergebende
erfolgreiche Arbeit.
Aufgrund der schlechten Ausbildungsmöglichkeiten in Deutschland ist
es nicht überraschend, daß die erste Frau an einer deutschen
Sternwarte, Miss Alice Everett vom Greenwich Observatory war,
also nicht in Deutschland studiert hatte.
Aufgrund einer Analyse der Jahresberichte der astronomischen
Institute in Deutschland konnte ich von 1895 bis 1921 immerhin
50 Frauen zählen.
Besonders viele waren in den wichtigen Observatorien tätig:
- Berlin (13),
- Potsdam (11),
- Göttingen (7),
- Hamburg (5) und
- Kiel (5)
Um 1900 gab es nur sehr wenige Frauen. Zwischen 1909 und 1912 stieg
die Gesamtzahl auf 14. Allerdings waren die Frauen meist nicht als
Assistentinnen, sondern nur als Rechnerinnen oder Hilfskräfte
beschäftigt, zum Teil sogar unbezahlt.
Die Tätigkeitsfelder der Frauen sind besser zu erfassen.
Ein Teil war die Astrophysik:
- die photographische Himmelskarte,
- Photometrie von Standardsternen,
- Auswertung von Spektren oder
- Ausmessung von Doppelsternen.
Christian Ludwig Rümker (1788-1862)
Ein anderer Teil betraf die klassische Astronomie mit
- der Reduktion von Koordinaten von Meridiankreis- oder
Passageinstrument-Beobachtungen,
- Berechnungen von Ephemeriden und von
Bahnen von Kometen oder Planetoiden.
Ein Beispiel hierfür bildet Frau Rümker,
die für ihren Mann (Karl Christian Ludwig Rümker
(1788-1862), Direktor in der Hamburger Sternwarte seit 1830)
die Kometenbahnen berechnete.
Am 11. Oktober 1847 erblickte sie als erste in Deutschland den von
Maria Mitchell, der berühmtesten Astronomin in den USA,
entdeckten Kometen.
Bemerkenswert ist, daß sie sich - im Gegensatz zu den USA - nicht
nur der Laborarbeit wie Auswertung und Berechnung widmen, sondern
auch in der Nacht beobachten durften:
- Ablesung des Meridiankreises und anderer Instrumente sowie
- Uhren- oder meteorologischer Dienst.
Während des Ersten Weltkrieges stieg die Zahl der Frauen in
Sternwarten an, nahm aber danach in Folge der Inflation und
Wirtschaftskrise wieder stark ab.
Meridiankreis der Hamburger Sternwarte
Frauen der Hamburger Sternwarte in Perth
Beobachtung am Meridiankreis und
anschließende Auswertung und Berechnung.
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Gudrun Wolfschmidt
Hamburg, 9. Juni 2001
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