Universität Hamburg - Institut für Geschichte der Naturwissenschaften, Mathematik und Technik



Viertägige naturwissenschafts- und technikhistorische Exkursion

Exkursion nach Prag

20. bis 23. Juli 1999

Leitung: Gudrun Wolfschmidt (IGN)

Programm: http://www.math.uni-hamburg.de/math/ign/Info/prag99.html


Bericht von Bernd Wolfram

Im Sommer des vergangenen Jahres fand eine wisesnschaftshistorische Exkursion des IGN-Hamburg statt. Wir besuchten von 20. bis 23. Juli 1999 Prag.

Am 20. Juli fuhren wir morgens von Hamburg mit dem Zug nach Prag und erreichten am Nachmittag planmäßig unser Reiseziel. Schon am Bahnhof wurden wir von Martin Solc vom Astronomischen Institut der Karlsuniversität - trotz seines ''eingegipsten'' Beines - herzlich willkommen geheißen. Nachdem wir unser Quartier bezogen hatten, trafen wir uns im Planetarium zu einer astronomischen Demonstration und besichtigten die Ausstellungsräume des Planetariums, wo auch einige historische Instrumente zu sehen waren. Danch fuhren wir zur Karlsbrücke. Die Geschichte dieser Brücke hängt eng mit der Geschichte der Astrologie in Prag zusammen. So sind die hölzernen und steinernen Vorgänger ebenso wie die heutige, 1342 von Karl IV. errichtete, Brücke zu astrologisch gesicherten Daten erbaut worde.

Im Zentrum der Altstadt, am Altstädter Ring, beeindruckte uns die imposante astronomische Uhr am historischen Rathaus. Diese Uhr aus dem 15. Jahrhundert ist eine der größten überhaupt. Zur astronomische Geschichte gehört auch die auf dem Platz im Boden eingelassene Prager Meridianlinie, deren Verlauf dem Mittagsschatten einer heute nicht mehr vorhandenen Mariensäule entsprach.

Am Morgen des nächsten Tages trafen wir uns am Karlsplatz in der Prager Neustadt. Hier befindet sich eine Gedenktafel für den österreichischen Physiker Christian Doppler (1803-1853). Doppler wirkte in Prag bevor er 1850 Professor in Wien wurde.

Ebenfalls am Karlsplatz befindet sich ein Institutsgebäude der Techn. Universität. Hier ist eines der genauesten Foucault-Pendel installiert. Die Aufhängung ist in exakter Weise ausgeführt. Leider war diese Aufhängung nicht zu besichtigen. In diesem Hause wirkten jedoch zwei bekannte Wissenschaftler. Bohumil Kucera (1874-1921) arbeitete hier über Radioaktivität, Jaruslav Heyvovsky (1890-1967) entdeckte hier die Methode der Polarographie zur Untersuchung elektrochemischer Reaktionen. 1959 erhielt er dafür den Nobelpreis für Chemie.

In den Parkanlagn auf dem Karlsplatz fanden wir das Denkmal von Jan E. Purkyne (1787-1869). Der experimentelle Physiologe wurde besonders durch seine Untersuchungen des menschlichen Auges bekannt. Viele unserer heutigen modernen Kenntnisse gehen unmittelbar auf die Resultate dieses Forschers, der von 1850 bis 1869 Professor in Prag war, zurück.

An der Südseite des Karlsplatzes befindet sich das Fausthaus; ein Bau der Spätrenaissance. Hier arbeitete E. Kelley, ein englischer Alchemist, welcher von Kaiser Rudolf II. nach Prag geholt wurde. Er sollte Gold herstellen. Seine Erfolglosigkeit brachte ihn allerdings ins Gefängnis. Nach dem Volksmund ist dieses Haus auch mit der Legende des Dr. Fustus verbunden.

Von hier aus gingen wir zum nicht weit entfernten Geophysikalischen Institut. Herr J. Jansky führte uns in die laufenden seismischen Forschungen am Institut ein und berichtete über die lange Geschichte seines Instituts.

Vorbei am heutigen Zoologischen Institut erreichten wir dann das A. Dvorak-Museum, in welchem schöne Fresken zu sehen waren. Im Zoologischen Institut war früher das Physikalische Institut der Karlsuniversität untergebracht. Den 1910 errichteten Lehrstuhl für Theoretische Physik besetzte 1911/12 A. Einstein. Hier war der spätere Nobelpreisträger Otto Stern (1888-1969) sein Mitarbeiter.

Nach diesem Rundgang fuhren wir zum außerhalb Prags gelegenen Observatorium Ondrejov. Wir erfuhren in diesem in reizvoller Umgebung gelegenen Observatorium eine besonders intensive Betreuung. Neben dem Refaktor mit seinem Objektiv von 1858 und der Zeiss-Montierung von 1909 wurden uns noch viele kleinere Instrumente, darunter auch historisch wertvolle Stücke gezeigt. Eine eigene Ausstellung dokumentiert die Historie dieses Instituts und die Geschichte der astronomischen Forschung in Prag. Leider konnte das große Spiegelteleskop des Observatorium aus technischen Gründen nicht besichtigt werden.

Zurück in Prag besuchten wir noch den stadtgeschichtlichen Antipoden zur Prager Burg, die Reste der Burg Vysehrad. Neben den imposanten Mauern war besonders beeindruckend die St. Martius-Rotunde, das älteste, aus dem 11. Jahrhundert stammende, noch erhaltene Gebäude am Vysehrad.

Auf dem Rückweg in die Innenstadt kamen wir an einer architektonischen Besonderheit vorbei. Das kubistische Haus ist eines der wenigen architektonischen Werke dieser Kunstrichtung.

Am 22. Juli trafen wir uns am Vormittag im Technischen Museum in Prag. Dieses Museum besitzt eine sehenswerte Sammlung historischer astronomischer Instrumente. Unter anderem sind Sextanten aus dem Besitz von Tycho Brahe zu sehen. Auch der älteste von Heyrovsky gebaute Polarograph ist hier ausgestellt. Besonders sehenswert ist die Uhrensammlung in der Abteilung ''Zeitmessung''. Besonders eindrucksvoll ist die Sammlung zur Verkehrstechnik.

Haus von Tycho Brahe

Eine interessante Ergänzung zu dieser Sammlung von Verkehrsmitteln aller Art stellt das Straßenmuseum dar. Nach einer kurzen Straßenbahnfahrt konnten wir die Sammlung historischer Straßenbahnwagen besichtigen. Von mit Gleichstrom betriebenen Wagen bis zu modernen Drehstromwagen war hier fast alles zu sehen.

Der Weg führte uns dann von dieser technikhistorischen Sammlung durch die Anlagen oberhalb des Hradschin vorbei an dem Haus, in welchem Tycho Brahe im Jahre 1600 gewohnt hat, zum Denkmal von Brahe und Kepler und schließlich zum Prämonstratenser Kloster Strahov. Im Garten war eine Reihe verschiedener Sonnenuhren zu sehen. In der großen Bibliothek zeigte man uns Räume, welche der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Hier durften wir eine Reihe historischer Werke und sehr seltenen Handschriften ansehen.

Den Nachmittag dieses Tages verbrachten wir im Prager Burgviertel, dem Hradschin. Im alten Mihulka-Turm (Pulverturm) befindet sich ein alchemisches Museum mit sehenswertem Instrumentarium aus der Zeit der Hochblüte der Alchemie. Außerdem konnten wir uns an der eindrucksvollen Architektur des St. Veits Doms und der St. Georgs Basilika erfreuen. Eine wollkommene Abwechslung an diesem Tag stellte der Besuch des Goldenen Gäßchens dar.

Den Abschluß des dritten Tages bildete der Besuch der Stefanik Sternwarte. Diese Sternwarte wird heute von sehr engagierten Amateurastronomen betrieben, die uns die Instrumente und die Ausstellung zeigten.

Der letzte Tag führte uns zunächst ins Clementinum. Dieses Institut mit astronomischem Beobachtungsturm war der Arbeitsplatz von Johannes Kepler (1571-1630). Nicht weit vom Clementinum befand sich die Wohnung von Kepler. Von hier aus konnte er den ovalen Grundriß der Welschen Kapelle sehen, welcher ihn zu den eliptischen Planetenbahnen inspiriert haben soll.

Den Abschluß dieser Exkursion bildete der Besuch des jüdischen Museums und des jüdischen Friedhofs.

Wir haben in vier Tagen einen umfangreichen Einblick in die Wissenschaftsgeschichte, welche in Prag stattgefunden hat, bekommen. Dafür danken wir der Initiatorin dieser Exkursion, Frau Prof. Wolfschmidt.



Gudrun Wolfschmidt Hamburg, 18. Januar 2001